Am vergangenen Freitag verschlug es mich durch Zufall in die
Jägerklause Berlin. Obwohl ich so eine Raucherkneipe normalerweise meiden würde, hatte ich mir sagen lassen, dass man das dreiteilige Programm des Abends nicht verpassen sollte. Ein
Kanadier, eine gebürtige
Engländerin und ein Musiker, der ursprünglich von
Teneriffa stammt, alle mit dem Zusatz „so Singer/Songwriter-Stil, aber irgendwie mehr“. Das weckte dann doch meine Neugier, obwohl ich mit solcher Musik meist weniger anfangen kann, aber das soll hier nicht Thema sein.
Die Spannung ist an diesem Abend also groß und ich werde nicht nur nicht enttäuscht, sondern völlig überrascht und bekehrt. Man sitzt lange Zeit in entspannter Atmosphäre beisammen, nebenan ein Café mit atemberaubendem Kuchen und plötzlich löst sich ein Mann aus der Belegschaft, der sich als
DAVID CELIA entpuppt. Der Kanadier betritt die winzige Bühne, allein begleitet von seiner Gitarre. Er beginnt sein halbstündiges Set und man merkt, dass der Herr das kleine Publikum Stück für Stück für sich erwärmen kann. Der Zusatz zu seiner Musik ist vermutlich „Folk“ und macht einfach gute Laune. Es gibt witzige Songs, nachdenkliche Songs, Songs über seinen treuen Honda. Der Sänger ist bei seiner Performance zurückhaltend aber charmant und man bekommt das Gefühl, dass
DAVID CELIA schlicht immer natürlich ist, selbst wenn er mit seinem Holzfäller-Hemd wie das wandelnde Kanadaklischee aussehen mag. Seine Musik ist vielleicht nicht einhundertprozentig mein Geschmack, aber die Qualität von
DAVID CELIAs Musik steht außer Frage und am Ende ist wohl jeder Zuhörer überzeugt.
Als zweiter Act an diesem gemütlichen Abend erklimmt dann still und leise
KATHY FREEMAN die Bühne, ebenfalls nur mit E-Gitarre bewaffnet und beflügelt mich für die nächsten ca. 40 Minuten. Als ich die zierliche Musikerin sehe, ahne ich noch nichts von ihrer interessanten Geschichte im Musikgeschäft, aber ich weiß, dass ich da etwas verdammt Gutes vor mir habe!
KATHY FREEMAN benutzt ihre Gitarre wie mehrere Instrumente und schafft so eine unglaubliche Soundkulisse zu ihrem Gesang. Mit einer glasklaren und gekonnt genutzten Stimme singt
KATHY FREEMAN Songs ihrer Band
Kathy X wie ‚
Braindead‘, ‚
Life Number Nine‘ und Solostücke wie das erst subversive, dann eindeutige ‚
Bitch Like You‘. Ihr „Zusatz“ bewegt sich zwischen Rockabilly, Country und dann wieder einem Gitarrenpurismus, der mich persönlich umhaut. Die Songs sind eindeutig ihr Eigen, aber man kann ihre Einflüsse erahnen, wenn man sich bei der Stilvielfalt an viele andere Künstler erinnert fühlt. An diesem Abend in der
Jägerklause zieht die Musikerin alle in ihren Bann. Als sie ihr Set mit ‚
Ring Of Fire‘ beendet, gewinnt sie die Herzen jedes alten
Cash-Fans, also auch meins, endgültig, bevor sie wieder schnell hinter dem improvisierten Merchtisch verschwindet.

Die letzte Band an diesem Abend ist ebenso interessant.
EVILMRSOD stellt sich als stilistisch undefinierbares Trio mit einer sehr flexiblen Setlist heraus. Die Länge des Sets wird auf Publikumswunsch hin mehrmals verändert. Das spricht schon einmal für sich.
EVILMRSOD klingt mal punkig, mal nach tanzbarem Rockabilly und irgendwie sogar nach Blues, wofür die Stimme von Sänger
Pablo Rodriguez auch prädestiniert zu sein scheint. Manchmal erinnert sie mich in ihrer Rauchigkeit fast ein wenig an
Louis Armstrong?! Wenn selbiger etwas jünger und unverbrauchter freche Rocksongs mit Tiefgang gesungen hätte, würde ein Vergleich leichter fallen, aber es steht ja im
Youtube-Zeitalter jedem frei, sich selbst ein Urteil zu bilden. Die Ähnlichkeit zu
Johnny Cash (!) dürfte aber wohl keinem verborgen bleiben.
EVILMRSOD kann man getrost als „Headliner“ des Abends bezeichnen, denn hier sammeln sich alle vor der Bühne und es wird pausenlos getanzt oder genossen. Songtechnisch spielt die Band sich querbeet durch ihr gesamtes Repertoire und macht auch vor ganz neuen Songs nicht Halt. Highlights sind dabei für mich
‚I’m Afraid Of The Radio‘ (ich auch) und
‚I’m A Mess‘. Aber auch das
Ramones-Cover
‚Beat On The Brat‘ weiß mich zu begeistern.
Alles in allem liefert
EVILMRSOD durchweg gute Musik mit offenbar recht kritischen Lyrics, was mich zum Resümee des Abends bringt: Hier ist nichts stumpfsinnig oder oberflächlich. Auch wenn ich sicherlich die eine oder andere „simple“ Band liebe und genieße, ist es mal schön, ganz echte „kleine aber feine“ Musiker zu sehen, die einfach Freude an der Musik haben und nicht die kommerzielle Musikweltherrschaft anstreben.