(Warner) Alben von
THE MARS VOLTA sind eine schwierige Angelegenheit. Bisher war es stets so, dass ich ein Album entweder ewig liebte oder wirklich nervig fand. Ihr Debüt
"De-Loused in the Comatorium" (damals nebenbei eine Empfehlung von
Zosse) habe ich zu seiner Veröffentlichung so oft gehört, dass selbst einzelne ähnliche Töne anderer Bands mich heute sofort in den Sommer 2003 zurückversetzen können. Als ich die Band aber live sah, konnte ich mit den schrägen Ohrwürmern jenes Albums nichts anfangen. Aber so bleibt es immer spannend, etwas Neues von
THE MARS VOLTA zu hören. Wer die Band kennt, weiß, dass man bei ihr mit Verallgemeinerungen wie "typisch" nicht wirklich weit kommt und so nehme ich mir die Freiheit, die Songs einzeln zu beschreiben, da sie zum Teil wie Tag und Nacht sind. Wem das zuviel ist, dem sei das Resümee am Ende ans Herz gelegt.
Das Album
"Noctourniquet" beginnt ziemlich anstrengend.
'The Whip Hand', ein Song von ungeheurer, kaum gezähmter Kraft wird leider immer wieder elektronisch von Effekten durchbrochen, die einer springenden CD ähneln; das drosselt das Tempo und stört mich persönlich leider sehr. Allerdings wird man mit dem düster, unheimlichen
'Aegis' sogleich entschädigt; der Track würde in einem Psycho-Horrorfilm hervorragend zur Geltung kommen. So gefallen mir THE MARS VOLTA gleich wieder.
'Dyslexicon' verhält sich im Vergleich zu seinem Namen leider etwas unauffällig, aber bleibt trotzdem gut im Kopf. Mit dem nächsten Song
'Empty Vessels Make The Loudest Sounds' kommt man zum ersten Höhepunkt des Albums: Eine ewig ausufernde Ballade mit satten Instrumenten und zum Teil wunderschön verzerrter Gitarre. Wenn das Wort nicht so abgenutzt wäre, könnte man den Song nur als "episch" bezeichnen.
'The Malkin Jewel', die erste Single des Albums, beginnt mit einem sonderbaren Sprechgesang und baut sich unterlegt von einer seichten aber verspielten Gitarre und einigen Ahhhhs zu großer Stärke und vor allem Eingänglichkeit auf. Es fällt auf, dass
THE MARS VOLTA zwar nach wie vor nicht gerade radiotauglich sind, aber sich doch mit der Avantgarde-Nummer von früher zurückhalten. Das wird den großen Fans von "schwerverdaulich ist ja so innovativ" zwar sicherlich sauer aufstoßen, tut aber dem Talent und Ideenreichtum meiner Meinung nach keinen Abbruch. Mit
'Lapochka' kommt erneut ein weniger vielsagendes Lied. Durchzogen von Synthies, durchbrochenen Rhythmen an den Drums und sich immer wiederholenden Zeilen, erinnert es an eine langsame Ausgabe von
'The Whip Hand'.
'In Absentia' kommt ausschließlich elektronisch und mit verzerrtem Gesang daher. So inspiriert der Titel wirkt, so langatmig kommt mir der Song vor, nur kurz vor Ende gibt es lichte Momente.
'In Abesentia' gefällt mir am wenigsten auf
"Noctourniquet", obwohl er von der Länge und dem schreienden Gesang am Ende fast noch De-Loused-Erinnerungen wachruft. Abermals machen
THE MARS VOLTA den etwas zähen und enttäuschten Eindruck der vorangegangenen Songs wett:
'Imago' ist eine weitere schöne Ballade und 'Molochwalker' bringt wieder etwas Tempo, sticht aber letztlich nicht gerade hervor.
'Trinkets Pale Of Moon' hat auch einen coolen Titel und ist eher langsam, beginnt mit Stimmengewirr und einer leisen aber sonderbaren Geräuschkulisse hinter
Bixler-Zavals Gesang. Auch diesen Song mit mysteriöser Stimmung würde ich gerne einmal auf einem Soundtrack wiederfinden. Mit
'Vedamaldy', meinem Favoriten, wieder einmal eine Ballade, geht es entspannt und melancholisch weiter, während der Tietltrack sehr elektronisch und wiederholend klingt. Er bleibt aber trotzdem interessant, vor allem gesanglich.
'Zed And Two Naughts' (pun intended) hat zwar leider mit dem irren musikalischen Themensong des fast gleichnamigen Films nichts zu tun, aber schafft trotzdem einen positiven Ausklang mit überzeugenden Drumrhythmen.
"Noctourniquet" wird wie immer nicht alle Hörer zufriedenstellen. Die Frage ist auch, ob man sich heutzutage noch Zeit nimmt, über eine Stunde dieselbe Band wirklich zu hören, nicht nur als Hintergrundgeplänkel. Denn ich glaube, nur so kann man sich wirklich ein Urteil über ein Album von
THE MARS VOLTA bilden. Ich muss sagen, man ist hinterher schon etwas übersättigt. Die Taktung von Noctourniquet ist eher langsam; es gibt wenige bis gar keine Überraschungen oder "verrückte Experimente" (die sonst auch gerne als Innovation bezeichnet werden). Auch wenn ich schreibe, dass sich viele Songs gut als Filmmusik eignen würden, habe ich nicht das Gefühl, dass sie ohne eine visuelle Komponente nichtssagend wären, im Gegenteil. Ich finde,
THE MARS VOLTA zeigen immer noch Liebe zum Detail, in fast jedem Song finde ich ein neues Lieblingsinstrument.
Album-VÖ: 23.03.2012