Aus aktuellem Anlass treffen sich heute SMILE AND BURN, RADIO HAVANNA und ANTI-FLAG zu einem gemeinsamen Konzert. Es soll Geld gesammelt werden, aber vor allem geht es darum, seine Solidarität auszudrücken für Pussy Riot, die russische Punkband, die derzeit in den Schlagzeilen ist. Obwohl davon auszugehen war, dass die Geschichte von Pussy Riot bekannt sein dürfte, werde ich im Publikum eines besseren belehrt. Einige hier wissen gar nicht, wer Pussy Riot sind und warum drei Mitglieder der Band derzeit in einem russischen Gefängnis in U-Haft sitzen. Auch von ANTI-FLAG haben sie eigentlich noch nie gehört. Hier also ein kurzer Überblick: Pussy Riot, eine feministische Punkrockband im Stil von Bikini Kill (wild, politisch und vor allem laut), stürmte Ende Februar eine russisch-orthodoxe Kirche und brachte dort ihren Protest gegen den Aufruf des Patriarchen der Kirche, Putin zu wählen, zum Ausdruck. Dieses taten sie mit einem „Punk-Gebet“ . Die drei ständigen Mitglieder der offenen Band/Bewegung, die ihre Identität bei Auftritten und Aktionen stets durch wollene Balaklawas schützten, wurden dafür im März festgenommen und sitzen seitdem in U-Haft. Der Vorwurf lautet „Rowdytum“ sprich unangebrachtes Verhalten und es drohen dafür bis zu sieben Jahre Haft. Nun kann man argumentieren, dass es nicht die feine, englische Art ist, in eine Kirche einzufallen und dabei Menschen zu stören, die Religion ernst nehmen. Das stimmt zweifellos. Es widerspricht aber zunächst schon jeglicher Verhältnismäßigkeit die Beschuldigten vor der Verhandlung (die erst im Juli begann) so lange festzuhalten. Über die Bestrafung und den offiziellen Vorwurf kann man aus deutscher Sicht ohnehin streiten. Auch hierzulande würden bestimmte Übergriffe auf religiöse Stätten eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die mit Verwarnungen und Geldstrafen bis hin zur Gefängnisstrafe geahndet werden kann (keine sieben Jahre, keine U-Haft!). Da aber im Fall Pussy Riot kein Schaden entstand, wollen wir doch einmal realistisch bleiben. Jetzt aber zum Konzert: Kurz nach 20 Uhr beginnen SMILE AND BURN ihr 30-minütiges Set. Das Quintett aus Berlin macht Stimmung mit Punkrock und englischen Texten. Ihr Stil erinnert gesanglich ein wenig an die frühen Taking Back Sunday, mit einer Mischung aus Gesang und –ja- Geschrei. Meinen Geschmack trifft das nicht richtig, aber den 200 Anderen im ausverkauften Cassiopeia scheint es zu gefallen. RADIO HAVANNA überzeugen mich zum inzwischen ich weiß nicht wievielten Male trotz -bei mir eigentlich verpöntem- deutschen Gesangs. Die Band, die den Abend organisiert hat, spricht noch einmal über das Anliegen ohne sich dabei in platten Phrasen zu verlieren. Insgesamt gibt es gut 45 Minuten richtig soliden Punkrock, wobei mir vor allem die neuen Songs wie ‚Die Zeit rennt‘ vom aktuellen Album „Alerta“ als besonders ausgereift auffallen. Nicht zuletzt wird gemeinsam mit dem Publikum ein Bild mit den am Einlass verteilten Sturmmasken gemacht. ANTI-FLAG, neben Pussy Riot vermutlich für viele der Hauptgrund zum Konzert zu kommen, gehen kurz vor halb Elf auf die Bühne und legen mit ihrer Mischung aus alten Songs, die sie einfach spielen müssen und neuen Werken von der jüngsten Scheibe „The General Strike“ los. Es hagelt Hit auf Hit, Fuck Police Brutality‘, ‘The Press Corpse‘, ‘This Is the End’, ‘War Sucks, Let’s Party’, 'Die For Your Government’ und ‘Turncoat’. So schön der Abend auch ist, so nervig ist der Hang zur Selbstdarstellung, dem manche im Publikum wohl einfach nicht widerstehen können. Ständig findet man irgendwelche maskierten Tänzer auf der Bühne, bis sie einen kleinen Schubser vom Bandroadie erhalten und sich dann mit Stagediving davonmachen. ANTI-FLAG unterbrechen ihr Konzert kurzzeitig, um jemanden von Amnesty International die Situation von Pussy Riot erläutern zu lassen. Schließlich gibt es noch die Coverversion DES Pussy Riot-Songs. Die Message ist so einfach wie wahr: Tut den Mann weg. Das Benefizkonzert endet, es wurde viel Geld gesammelt und Bewusstsein für das Problem verbreitet. Hoffentlich hält selbiges an und wird nicht irgendwann als kurzer Trend angesehen, bei dem man dabei gewesen sein muss. Danke an RADIO HAVANNA, die sich ehrlich für Pussy Riot einsetzen und uns das Bild zur Verfügung gestellt haben!