Bei ihrem Promo-Aufenthalt im Sommer bekam ich die Chance Jerry und Tobin von PAPA ROACH zum bald erscheinenden Album "The Connection" zu befragen. Die Band hatte am Abend zuvor im Berliner Sage-Club einige ihrer Songs vorgestellt und stand mir schon am nächsten Mittag wieder professionell Rede und Antwort. Obwohl ich die Band immer für ein wenig eitel und manchmal aufgesetzt hielt, muss ich nun sagen: So kann man sich irren! Die sind richtig nett, natürlich und definitiv bodenständig!  Es war ein angenehmes Interview! Zu Anfang konnte ich nur mit Jerry sprechen, Tobin war noch in Sachen Familienmitbringsel unterwegs und kam zwischendurch dazu. Leider konnte ich euer Pre-Listening gestern nicht besuchen, ich habe also außer der neuen Single noch nichts von „The Connection“ gehört. Kannst du das Album jemandem beschreiben, der eure Musik nicht gut kennt/es nicht kennt? Also jeder hat ja vermutlich mindestens einen Song von uns gehört und ich denke auch, dass die Single ‚Still Swinging‘ ‚Last Resort‘ wieder aufnimmt. Auf dem Rest des Album haben wir mehr Elektronik hinzugefügt, was wir schon bei unserer letzten Veröffentlichung versucht hatten. Da hat es uns gut gefallen, also wollten wir nun mehr davon, es hat aber alles noch den PAPA ROACH-Groove. Das ganze Album ist sehr dynamisch. Wir haben vier wirklich sehr energiegeladene Krachersongs und dann wird es etwas ruhiger. Auf der Single wird ein wenig gerappt, dann haben wir einige Songs mit mehr Metalelementen , dann wieder sanftere Lieder mit Elektronik und noch so etwas wie eine Ballade. Also seid ihr noch eine harte Rockband mit Metaleinlagen, aber mir fällt auf, dass Du immer wieder die elektronischen Elemente betonst. Wie müssen wir uns das vorstellen? In welchem Maß verändern sie euren Stil? Ich würde sagen, auf die Art und Weise wie wir sie verwenden… hmm, okay… Wenn du die elektronischen Sachen entfernen würdest, ist es immer noch ein guter, vollwertiger Song. Elektronik ist nicht unser Hauptinstrument. Alles klar, ihr verlasst euch also nicht darauf und werdet nun zu einer Industrialband…? Nein, auf keinen Fall. Es ist auf jeden Fall noch eine Rockscheibe, aber anstatt für weitere Lagen mehr Gitarren zu benutzen, haben wir eben einfach Synthesizer und ein Keyboard eingesetzt. Das heißt also im Vergleich zum letzten Album mehr Elektro, im Vergleich zu euren ersten Alben, weniger Rappen. Genau. Das war ja über die Jahre als Trend zu erkennen. Ihr habt euren Stil parallel zum Musikgeschehen weiterentwickelt. Vor 12 Jahren war fast alles Nu Metal und heute haben sich alle erfolgreichen Bands von damals in anderen Rocknischen etabliert. Ich unterstelle euch aber damit keine kommerzielle Kalkulation, wir werden  schließlich alle älter, mein Geschmack hat sich über die Jahre auch verändert. Ganz genau. Etwas hat sich aber nie verändert. Auch auf dem neuen Album scheinen mir die Titel eine pessimistische oder bestenfalls düstere Grundstimmung auszudrücken. Hat sich das einfach so ergeben oder ist es Teil eurer Idee von Rockmusik? Nun, während des Schreibens und während der Aufnahmen trennten sich Jacoby und seine langjährige Ehefrau. (Ich weise darauf hin, dass wir keine persönlichen Details brauchen) Er hat sich dazu schon geäußert, ich erzähle dir hier also keine Geheimnisse. Er machte also eine schwere Zeit durch während des Schreibens und wir haben ihn darauf angesprochen, um es mit ihm zu bereden, aber nichts was wir hätten sagen können, hätte die Situation verbessert. Also meinten wir, er solle alles aufschreiben, alles womit er kämpft herauslassen und niederschreiben. Ich glaube, dass es ihn antreibt und seine Kreativität voranbringt, wenn er an einem dunkeln Ort ist. Das ist etwas unglücklich, aber er kreiert tatsächlich seine besten Arbeiten, wenn er mit sich ringt. Das ist wohl bei vielen Künstlern der Fall. Das ist der Grund für den etwas düsteren Ton des Albums. Aha, es ist also nicht so, dass ihr tiefgründige, schwierige Themen erzwingt, weil ihr glaubt, ein fröhlicher Rocksong à la Foo Fighters hätte bei PAPA ROACH nichts zu suchen? Um ganz ehrlich so sein, hatte Jacoby eigentlich eine ganz neue Richtung beabsichtigt, als wir anfingen zu schreiben, aber nach etwa einem Monat passierte es dann und die Ideen, die wir vorher hatten, schienen auf einmal völlig bedeutungslos. Er war immer der Typ, der sein Herz auf der Zunge trägt und über alles redet, was in seinem Leben passiert, er spekuliert aber nicht darauf, dass andere sich mit dem identifizieren können. Das ist aber ein guter Nebeneffekt, wenn er über solche Themen schreibt. Es gibt andere Menschen, die dieselben Dinge durchmachen müssen und die uns später erzählen, dass die Musik ihnen durch schwierige Zeiten helfen konnte. So kommt am Ende doch noch etwas Positives dabei heraus. ‚Still Swinging‘ die erste Single, klingt ja durchaus auch optimistisch. Die Message ist schließlich „Wir haben es bis hierher geschafft, wir sind noch da.“ Ja, genau. Der Song handelt wirklich davon, dass wir viel Kampfgeist haben. Wir haben sehr hart dafür gearbeitet, um es zu soweit zu schaffen… An dieser Stelle klopft es an der Tür und Tobin tritt ein. T: Sorry, ich hab den Weg vom S-Bahnhof hier her nicht gefunden. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass ihr manchmal kämpfen musstet, um  im Geschäft Fuß zu fassen. Glaubt ihr Bands haben es heute leichter mit all diesen Plattformen wie Facebook usw.? Das gab es ja in den 90ern wirklich gar nicht. Ist das ein guter Weg, um viel Aufmerksamkeit zu bekommen? Oder glaubt ihr, dass es so viel mehr schlechte Bands gibt, die unnötig gehypt werden? J: Ja, es gibt natürlich vielen nicht ganz so tollen Gruppen ein Publikum, aber ich denke, dass die Menschen es vielleicht kurz hören und wenn es nicht gut ist, ganz schnell wieder vergessen. Diese ganzen Seiten verwischen alles irgendwie, das ist überwältigend. Sicher, die versuchen auch nur gehört und gefunden zu werden, dafür sind die Seiten bestimmt ein gutes Werkzeug, aber ich würde sagen: Übe einfach dein Instrument, versuche, die besten Songs zu schreiben und dann versuche es in der echten Welt. Andererseits…jede Band muss auch mal schlecht sein (lacht). T: Also wir waren es ganz bestimmt einmal. Ach was. Ich habe davon jedenfalls nichts mehr mitbekommen. T: Nein, wir waren wirklich richtig schlecht. J: Ich würde dir jetzt raten, dir einmal unser erstes Album anzuhören, aber ich möchte wirklich nicht, dass du das tust (lacht). Tobin, ich habe Jerry schon nach dem neuen Album gefragt, weil ich es leider noch nicht hören konnte. Wir würdest du es beschreiben? T: Es ist echt sehr …episch. Auf eine gute Art und Weise, nicht auf diese übertriebene Tamtam-Weise. Es ist definitiv etwas abenteuerlich, es nimmt dich echt auf eine Reise mit. Es beginnt sehr energetisch und geladen, lässt dich sozusagen aus deiner Haut herausfahren. Dann ändern sich die Texte und werden zu etwas sehr Verletzlichem, sie bringen dich in eine tiefe, emotionale Phase, in der du dich mit sehr tiefgründigen, schwierigen Dingen auseinandersetzt. Musikalisch gesehen verwenden wir mehr Elektronik, natürlich gibt es noch viel Melodie die ist ein Teil jedes Songs. Man kann sehr gut mitsingen, es gibt bestimmt in jedem Song einen Chant, bei dem man mit brüllen kann. Ihr habt jetzt beide die Elektronik erwähnt. War das etwas, was ihr vorher geplant hattet, weil ihr gerne etwas verändern wolltet oder einfach experimentieren wolltet? Oder ergab sich das einfach so? Ich habe euch immer als eine sehr rohe und „unverfälschte“ Band empfunden, die nie auf große Effekte gesetzt hat. T: Das stimmt. Wir haben zwar schon in der Vergangenheit mit elektronischen Elementen gespielt, aber dieses Mal war es genau unser Ding. Wir haben dem dann seinen Lauf gelassen. Es ist auch wirklich nicht zu viel, es hilft wirklich der Melodie und der Musik Tiefe zu verleihen, das macht es aufregender. Man kann ganz einfache Gitarrensachen damit richtig spannend machen. Da haben wir dann hier noch ein Intro gemacht, da noch eine Überleitung, dort noch eine Schicht. Trotzdem ist die Platte natürlich allein durch die Themen noch sehr roh. Ich hab das Gefühl, wir haben das genau richtig abgeschätzt. Was denkt ihr, halten die Fans davon? Es gab ja schon Events und Pre-Listenings... Beide: Die lieben es, oder werden es lieben. J: Wir haben gestern hier in Berlin drei Songs vorgespielt und gleich beim ersten Hören sind alle durchgedreht (strahlt). T: Das Album ist auch sehr dynamisch. Es gibt ein paar sehr launenhafte, dunkle, emotionale Parts, die dich vielleicht ein bisschen herunterziehen, aber wenn dann ein richtiges Brett kommt, trifft es dich ganz besonders stark. Waren das gestern eher Fans oder Berliner im Allgemeinen, die zufällig da waren? J: Es waren sehr viele Menschen, viele Fans da. Ich würde sagen, ein paar hundert. Das ist ja toll. Eure Fans spürt man im Alltag meist gar nicht. Im Internet und auf Konzerten trifft man oft auf bestimmte Gefolge und Communities, die sich fernab der Musik permanent  über eine Band definieren. Bei euch ist das nicht so, daher hatte ich schon befürchtet, es wären nur Einheimische, die eure Band vielleicht gar nicht kennen oder mögen im Club gewesen. J: Nein, aber ich denke, auch da hätte der Alkohol ein wenig Abhilfe geschaffen. Da wird die Hauptstadt-Coolness schnell abgelegt und man zeigt offen, wenn einem etwas gefällt. T: Es war echt toll, niemand war sich zu cool für irgendetwas. Kommt denn bei euch zuerst die Musik oder die Texte? Beide: Die Musik. Wie läuft das denn dann, wenn ihr einen „fröhlichen“ Song geschrieben habt und Jacoby kommt zu euch und sagt: „Leute ich mache gerade eine Menge durch, hier ist mein schwermütiger Text.“ T: Manchmal wäre es toll, positivere Sachen zu schreiben, aber so lange es ehrlich und echt ist und man das, was er sagt nachempfinden kann, weil es wahr ist, dann kann man da nichts gegen machen und sagen, dieser Song sollte von Weibern und Autos handeln. Es gibt aber auch Positives auf diesem Album, Hoffnung, Licht am Ende des Tunnels usw. Es ist nicht alles nur wütend, angstgesteuert oder depri. Es geht auch darum, diese Zeiten und Hindernisse zu überwinden und später gestärkt daraus hervorzutreten. Man soll lernen, wie man sein Leben führen kann, eine Beziehung aufrecht erhalten kann, eine Verbindung…und dabei zu einer besseren Person zu werden. J: Ich denke, Jacoby ist sehr gut darin, nicht nur in Selbstmitleid zu zerrinnen, sondern auch die Stärke zu haben, weiterzumachen. Das ist also auch die „Connection“, die der Albumtitel beschreibt? T: Absolut. Es geht um die Verbindung zur Außenwelt, zu deinen Fans, deinem Partner, zwischen uns. Der Titel passt einfach. Ich habe schon angemerkt, dass ihr loyale Fans habt. Mir ist aufgefallen, dass auf etlichen Internetseiten rege Aktivität herrscht, obwohl ihr außer dem Livealbum nun länger nichts veröffentlicht habt . T: Da waren ja auch fünf neue Songs drauf. Das hat alle ein Weilchen beschäftigt und die Leute waren auch aufgeregt wegen dieser fünf neuen Songs. Wir sind auch getourt, aber es war definitiv an der Zeit, dass wir ein richtiges Album veröffentlichen. And then the fucking shit hits the fan (alles lacht). Auch wenn wir nicht jedes Jahr ein Album raushauen, unsere Fans warten. Wir bleiben immer in Kontakt mit ihnen. Wir haben diese Beziehung zu ihnen über die Jahre aufgebaut. Wir lassen sie über Social Media an Dingen teilhaben, sodass sie das Gefühl haben, dabei zu sein. Wir haben sehr treue Fans, wenn wir ihnen sagen, dass wir an etwas arbeiten, dann werden sie aufgeregt. Twittert ihr gerne oder meint ihr, dass so etwas heutzutage notwendig ist? Fändet ihr es besser, einfach zu touren und hinterher vielleicht ein paar Fans zu treffen und mal persönlich „Hi“ zu sagen? J: Ich denke, das ist einfach die Zeit, in der wir leben. Als wir angefangen haben und es das alles noch nicht gab, haben wir vor dem Bus oder vor der Halle die Menschen begrüßt und das war’s und das war genug. Jetzt ist es ganz anders, es gibt soziale Netzwerke. (seufzt) T: Die Menschen erwarten heute, was das angeht, schon eine Menge. Als Fan kann ich sagen, dass ich mich zwar über musikalische Vorab- Informationen freue, aber dass vieles, was von manchen Bands gepostet wird auch wirklich überflüssig ist. (PAPA ROACH sind hier NICHT gemeint) T: Ich finde auch sehr viel lächerlich. Bei uns ist das aber… J: Wir haben uns da von Anfang an Grenzen gesetzt. T: Ja, als Künstler ist es blöd. Die meisten Menschen müssen nun wirklich nicht jedes kleinste Bisschen über jeden in der Band wissen, wo wir gerade sind, was wir gerade machen. Dann gibt es ja gar keine Mysterien mehr. Es ist so, als wollte jeder ein VIP bei dir sein. Jederzeit. Ich finde euch da sogar ganz vorbildlich. Ihr nutzt Twitter und Facebook, um Behind The Scenes-Videos oder Teaser zu posten, aber nicht für mehr. T: Ja, so war es eben, als wir angefangen haben. Jeder Künstler war diese mystische Kreatur, die ein Larger-than-Life-Leben führte, du wusstest fast gar nichts über sie. Manchmal hast du sie dann im Fernsehen gesehen und bis total ausgeflippt. Heute ist es fast so, als wären alle beschissene Nickelodeon-Figuren (alle lachen). Ich persönlich habe euch noch nie live gesehen. Ich habe aber eine DVD... J: Du solltest uns sehen! Wir sind real so viel besser! Wir kommen im Dezember zurück. Ich habe gehört, es gibt auch Aussichten darauf, dass vielleicht auch noch eine DVD folgen wird? T: Wir müssen auf jeden Fall eine neue machen, denn wir sind nun so viel besser. Es gibt so viel neues Material. Wir möchten das vielleicht in Europa oder Großbritannien machen. Denn das sind die besten Crowds. Aha, also sind die Zuschauer in Europa anders als bei euch? J: Nicht anders, besser. T: Viel besser. Viel intensiver. Echt? Erklärt das mal genauer… T: Ich weiß auch nicht, die Menschen hier sind einfach viel aufgeregter, hungriger, leidenschaftlicher und lebendiger. Es tut gut, das zu hören. Viele Bands sagen das, aber man kann es kaum glauben, denn meist macht man sich nur über den deutschen Akzent beim Mitsingen lustig oder sagt uns nach, wir wären immer so ernst und verkrampft. J: Also Deutsche sind vielleicht im Alltag reserviert aber bei einem Konzert ist das total anders. T: Ich habe schon ganz verrückte Deutsche getroffen. Jedes Mal, wenn wir hier sind. Letzte Nacht im Sage-Club zum Beispiel, waren viele tolle Leute. Ich wüsste nicht, wo ich in den Staaten so einen Ort finden würde. Es gibt andere Verhaltensregeln, hier ist alles viel sozialer. Es scheint mir, als hätte man hier viel mehr Freiheit zu sein, wer man wirklich ist und so zu sein, wie man möchte. „Gib‘ mir ein Bier.“  Ist hier keine große Sache. Wenn ich hier ein Bier um zehn Uhr morgens haben möchte, kriege ich das und ich muss es auch nicht in einer Papiertüte verstecken. Das ist hier okay. In den USA ist es auch einfach so, dass sich kaum noch jemand beachtet, alle laufen mit ihren Smartphones herum und auf Konzerten sehen sie die Musiker nur über ihre Displays, weil sie alles filmen. Aha, aber wenn das Publikum merkt, dass jemand filmt, geht es künstlich ab, oder? T: Genau, und wenn man das dann sieht, denkt man hier, dass dort ganz tolle Stimmung herrscht (lacht). Auf diesem Wege sind wir aber hier leider auch schon. Aber jetzt schnell zu meiner letzten Frage: Gibt es irgendetwas, was euch noch niemand gefragt hat, obwohl ihr die Frage immer mal hören wolltet? Irgendetwas? Das Thema ist egal, Musik, Politik, Kunst, Philosophie…? (Langes Schweigen) T (übertrieben ernsthaft): Ich frage mich wirklich, warum uns noch nie jemand gefragt hat, warum wir so unglaublich gut aussehen? (beide lachen, weil sie mich in eine echt blöde Situation gebracht haben) Das ist doch klar, die Frauen wollen die Komplimente bekommen und nicht austeilen und die Männer sind neidisch. Wenn es dir hilft, Jerry, deine Lederjacke ist super. T (tut beleidigt, weil ich ausweiche): Aha, jaja, danke, sehr schmeichelhaft. J: Danke. (Kann gar nicht aufhören zu lachen). Die Frage ist doch nicht unangebracht. Man kann uns doch Komplimente machen, auch wenn wir vergeben sind... Danke für das ernste Interview mit lockerem Ende!