(Gan-Shin Records / Rough Trade) Mit "Shangri-la" bieten uns passend zum Abschluss des 15-jährigen Bandjubiläums die vier japanischen Jungs von MUCC ihr bereits 11. Album dar. Nachdem der Vorgänger "Karma" durch seinen deutlichen Elektroeinschlag die Fangemeinde gespalten hatte (in meinen Augen aber ein geniales Album war), stellte sich unweigerlich die Frage, welche Richtung die Band zwei Jahre später nun einschlagen würde. Bereits beim Einlegen der Scheibe sieht der geneigte Hörer dann einen Hinweis, der auf alte Tage schließen lässt. Es gibt nämlich 69 Tracks und eine Gesamtlaufzeit von 69 Minuten, ganz wie in alten Tagen. Das ist übrigens eine Anspielung auf den Bandnamen; die Zahl 69 wird nämlich im Japanischen "Mukku" gelesen. Ich möchte es hiermit auch gleich vorwegnehmen: Ja, dieses Album ist deutlich klassischer als der Vorgänger und das „discomäßige“ Cover täuscht ziemlich. Da ich nun sicher bin, dass auch Fans, die das letzte Album verabscheuen, hier weiterlesen, kann ich mit dem ersten Track 'Mr. Liar' beginnen. Fängt dieser noch mit elektronisch erzeugten Tönen an, wechselte er in Sekunden zu harten Gitarrenklängen und Growls. Man hat das Gefühl, als ob die Band da gewollt zum Start mit den Erwartungen der Fans spielt. Der Song bietet eine ohrwurmhafte Melodie, starken Gesang von Tatsuro und ein fantastisches Solo von Miya. Ein starker Start ins Album und mit 'G.G.' geht es keinen Deut schlechter weiter. Zwar wurde auch hier wieder elektronisch nachgeholfen, aber es ist trotzdem unverkennbar ein Rocksong, der in dieselbe Richtung wie das Vorgängerstück geht, Growls weglässt aber dafür in der Mitte superb härtere Gitarrenklänge mit elektronischen Beats verbindet und mit einem „ohohoh“ Backgroundgesang sogar etwas punkig daherkommt. Mit 'Arcadia feat. DAISHI-DANCE' erwartet uns nun aber doch noch ein elektronischer Dance-Track, der bestimmt wieder die Fans spalten wird. Elektronisch verzerrte Stimme und Beats aus dem Computer treffen auf ein paar Rockklänge. Da DAISHI-DANCE ein japanischer DJ ist, verwundert dies aber nicht und als Partytrack ist das Stück sogar ziemlich gelungen und außerdem spürt man deutlich, dass es immer noch ein MUCC-Lied ist. 'Nirvana' geht da gleich wieder in eine ganz andere Richtung und ist ein wunderschönes und nicht ganz so hartes Rockstück und verbreitet einfach gute Laune. Fast schon minimalistisch wird es mit 'Honey', eine klare Gitarren-, Bass- und Drumline und ein mit Inbrunst schon fast geschrieener Gesang. Zum ersten Mal wird auf Elektronik komplett verzichtet und heraus kommt ein herrlich erdiger Rocksong der alten Schule mit politischem Unterton im Songtext. Auch 'The Bell At The End Of The Line' verzichtet komplett auf Experimente und ist ein klassisches Stück geworden. Längst nicht so minimalistisch bietet es aber einen Text, der gut zum Nachdenken anregen kann und fügt sich so ins Albumkonzept ein. 'Pure Black' beweist daraufhin, wie abwechslungsreich doch MUCC als Band ist, handelt es sich dabei um nicht weniger als einen schön jazzigen Bluestrack inklusive Klavier. Der vom Titel her ein bisschen sperrige Song 'KyoranKyosho – 21st Century Baby' wird nun sogar in einer Art Rap vorgetragen, der in einem Refrain mündet, in dem Tatsuro und ein Kinderchor in voller Überzeugung singen. Der Text über das 21. Jahrhundert ist extrem kritisch und die Ohrwurmgefahr unglaublich hoch, somit für mich ein Ausnahmetrack und mit das Highlight des Albums. Ob 'Marry You' auf dem Album nötig gewesen ist, ist eine andere Frage. Ein eher fröhlich vorgetragener Gute-Laune-Track über unerwiderte Liebe. Kein schlechtes Lied, aber irgendwie passt es für mich nicht so ins restliche Konzept des Albums. Mit 'Night Sky Craypas' folgt dann thematisch passend ein Lied über Trennung: Etwas wehmütig vom Klang her, passt dies nun wieder sehr gut aufs Album. Vom Text her hat 'YOU & I' was von Rise Against, geht es doch um einen Streit zwischen einem Paar und eine drohende zerbrechende Beziehung. Dazu der passende rockige Unterton und fertig ist ein toller Track. Mit 'Mother' nähert man sich langsam dem Ende des Albums, ein ruhigerer aber schöner Track, der einen gut auf den Titeltrack 'Shangri-la' vorbereitet. Und was das für ein Abschluss ist! Ein langsames, wunderschönes und gefühlvolles Kunstwerk, welches teilweise an 'Kuchiki no tou' erinnert. Das Langsame wird nämlich öfters durch schnellere ich sage mal „Gefühlsausbrüche“ aufgebrochen und dann hört man sofort raus, dass Tatsuro all seine Gefühle in seine Stimme legt. Das letzte Mal, dass ich so etwas wahrgenommen habe, war bei Slipknots 'Snuff'. Ein besseres Ende kann man sich für kein Album wünschen. Dabei ist es ja nur das reguläre Ende, denn die Tracks 14 - 68 bieten Leerlauf, bis mit Track 69 dann noch ein Hiddentrack ertönt. 'Mad Yack' heißt der Song und das Warten lohnt sich, wird doch noch mal ziemlich hart losgerockt und ich glaube live könnte das eine Pflichtnummer werden. Ich bin absolut begeistert von dem neuen Album und MUCC beweisen mal wieder, warum sie zu den ganz großen Nummern aus Japan gehören. Eine solche Vielfalt an Liedern und jedes klingt typisch nach MUCC, mehr Abwechslung geht kaum. Da verzeihe ich auch die paar Kritikpunkte und dass mir "Karma" dank ein paar Tracks eventuell noch ‘ne Ecke besser gefallen hat. Wenn es die Jungs dieses Jahr wieder auf eine Europatour verschlagen sollte und davon ist auszugehen, kann ich nur empfehlen, diese zu besuchen, da es sich hierbei auch um eine exzellente Liveband handelt, die vor Energie nur so strotzt. Wer die Band noch nicht kennt, sollte hier ruhig mal wagen reinzuhören. Solange man sich nicht an japanischen Texten stört, steht dem Hörgenuss nichts im Weg. Die europäische Pressung erscheint mit englischen Übersetzungen der Liedtexte und einer Bonus-CD mit 10 Livetracks. Man bekommt also den doppelten Inhalt und das könnte dann auch die letzten Zweifler überzeugen. Anspieltipps: 'Mr. Liar', 'Honey', 'KyoranKyosho 21st Century Baby', 'Shangri-la' Album-VÖ: 25.01.2013 (Photo copyright by Gan-Shin Records)