(Epitaph/Indigo)
ALKALINE TRIO, eine Band, die seit jeher geprägt war durch das perfekte Mittel zwischen den Sängern
Dan Andriano und
Matt Skiba, entfernte sich zuletzt von dem knackig rebellischen Song ihrer frühen Alben. Somit stieg der Erfolg im massentauglichen Sektor, die Urfans der Dreierkapelle genossen die jüngere Musik jedoch nur mit Abstrichen. Als 2011 ein akustisches Best-Of-Album zum 15-jährigen Jubiläum erschien und die Mitglieder sich seitdem in mehren Solo-Projekten austobten, sah ich schon das Ende einer meiner Lieblingsbands herannahen. Über die Qualität von
„Damnesia“, das zum Beispiel Zosse sehr gut und mir gar nicht gefiel, konnte man ebenfalls streiten.
Nun aber sind
ALKALINE TRIO zurück und bewegen sich mit
„My Shame Is True“ in gewohntem Terrain. Sie verbinden ironische Texte, lustige Anspielungen, menschliche Abgründe, Melancholie und eingängige Melodien. Reicht das nach all den Jahren noch, um ein Album zu füllen und eingefleischte Fans zufrieden zu stellen? Ich sage vorsichtig: Joa.
„My Shame Is True“... der Titel ist eine Referenz an
Elvis Costello, die
Matt Skiba im Schlaf einfiel. Wie so oft beim Trio ist der Interpretationsspielraum groß, schließlich machte
Herr Skiba im vergangenen Jahr mit einigen Eskapaden Schlagzeilen. Auch dass es sich beim neuesten Streich erneut um ein Trennungsalbum handelt, dürfte an einigen Stellen zu bemerken sein (wobei
Matts Ex-Freundin das Cover ziert).
Das Album beginnt sofort stark mit dem gutgelaunten Ohrwurm
'She Lied to The FBI', das ein wenig verlangsamtes
Ramonesfeeling aufkommen lässt. Weiter geht’s mit
Skibas 'I Wanna Be Warhol', das ich anfangs nur vorhersehbar und bestenfalls niedlich fand. Im Kontext mit dem Video -nebenbei bemerkt mit
Milla Jovovich- versteht man aber den Hintergrund zum Song einer voyeuristisch-unheimlichen Obsession. Dieser ist einfach clever und etwas verstörend, also typisch für das Trio aus Chicago.
'I'm Only Here To Disappoint' ist ein bittersüßes Sahnehäubchen erster Güte, dem die Rotweinstimme von
Dan Andriano die nötige Dramatik verleiht. Bei
'Kiss You To Death' schießt
Skiba dann ein wenig über's Ziel hinaus. Es ist nur ein feiner Grat zwischen seinem Stil treu bleiben und Recycling.

Das folgende
'The Temptation of St. Anthony' zeigt für mich, wie es sein sollte: Unverkennbar
ALKALINE TRIO, aber trotzdem ein unverwechselbarer Song. Bei
'I, Pessimist' hat sich
Dan Andriano dann Verstärkung von einem Kumpel aus Chicago geholt.
Tim McIlrath von
Rise Against leiht dem Trio seine Stimme und zieht das Lied dabei fast zu sehr an sich. Ob
'I Pessimist' nun mehr ein
Rise Against-Stück oder eines von
ALKALINE TRIO ist, tut eigentlich nichts zur Sache; die Refrains sind etwas langweilig, aber es gibt eine wunderschöne Bridge von Andriano, die einen Gitarrenpart einleitet. Die zweite Hälfte des Albums lässt dann ein wenig nach:
'Only Love' und
'Midnight Blue' sind sehr sehr cheesy und zweiterer klingt wie eine direkte Neuauflage von
'The American Scream' vom letzten Album. Dazwischen sorgt
'The Torture Doctor' für einen typischen Lichtblick, obwohl man sich die Mitgröhl-Wooohoos hätte sparen können.
'One Last Dance' ist überraschend unauffällig, ebenso wie das Albumende
'Until Death Do Us Part' voll von idealistischen, wohl autobiographischen Texten des kleinen Jungen, der Matt Skiba wohl am Ende des Tages immer noch ist.
Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, das Album mit dem Andriano-Track
'Young Lovers' zu beschließen. Er gehört für mich mit zu den stärksten Songs des Albums und geht einem trotz oder wegen mächtig schwülstiger Romantik gepaart mit einer eingängigen Melodie einfach nicht mehr aus dem Kopf. Insgesamt ein Album, das wohl kein ewiger Seelenverwandter (wie meinerseits
"Good Mourning") wohl aber ein Lebensabschnittspartner wird.
Album-VÖ: 29. März 2013
(Photo by Jonathan Weiner)