Fast zehn Jahre ist die Veröffentlichung von BILLY TALENT's Debütalbum her und fast genauso lange hoffte ich auf ein Konzert in meiner niedersächsischen Umgebung. Auch wenn ich seit Jahren ganz woanders wohne und die Band etliche Male live erleben durfte, blieb doch immer die Frage, wie es wohl gewesen wäre, sie in dem Club zu sehen, in dem ich 2002 mein erstes Konzert überhaupt besucht hatte. 2013 ist es tatsächlich soweit: Das kanadische Quartett findet seinen Weg in die Landeshauptstadt, in einen für ihre Verhältnisse kleinen Laden. Angekündigt als „An Evening with BILLY TALENT“ war der Abend schnell ausverkauft und so findet man am Abend des 19.08.2013 ein prall gefülltes Capitol, das schon vor Konzertbeginn voll gespannter Energie ist. Man trifft auf alte Bekannte, die wie ich eine Band ihrer Jugend sehen wollen. Es wimmelt von sehr jungen Fans, für die Konzerte noch etwas relativ Neues sind, Eltern, die sich im Hintergrund halten und Leuten, die irgendwie einfach nur dabei sein wollen, um hinterher mitreden zu können. Pünktlich um 20 Uhr tritt die Supportband THE DROWNING MEN auf. Die Band aus Kalifornien mit einem sehr durstigen Keyboarder ruft mit ihrer gediegenen Indiemusik größtenteils höflichen Applaus hervor. Das 30-minütige Set heizt die Stimmung, teilweise unterstützt durch ungewöhnliche Instrumente, langsam aber sicher an. Bis auf Kleinigkeiten liefern THE DROWNING MEN ein solides Vorprogramm ab, das allerdings nicht perfekt auf das überwiegend  junge, fahrige Publikum abgestimmt ist. Andererseits ist es aber auch Sache der Hauptband, den Funken zu zünden. Das schaffen BILLY TALENT dann auch ohne Mühe. Eingeleitet durch 'The Lonely Road To Absolution' und 'Viking Death March' bringen die Klassiker 'Devil In A Midnight Mass' und 'The Ex' (inzwischen ohne Schimpfsalve auf die besungene Dame) den Saal zum Kochen. Wie immer zieht die Band ihren Auftritt mit viel Herz aber ohne jegliches Show- oder Effektgehabe durch. Als nächstes zeigt 'Love Was Still Around' wieder, dass noch immer ein Schwerpunkt auf „Dead Silence“ liegt. Sänger Ben teilt uns mit, dass ihre erste Show in Hannover eine der letzten zum aktuellen Album sei. Mit 'This Suffering' wird dann mit einem der schönsten Songs von „II“ eine ruhigere Phase eingeleitet, die drei Songs später mit 'Rusted From The Rain' abgeschlossen wird. Obwohl BILLY TALENT in Deutschland zu den beliebtesten (Festival-)Bands gehören dürften, stoßen die Kanadier auch immer wieder überraschend auf Missachtung, vor allem bezüglich Bens Gesangstils. An dieser Stelle sei betont, dass der Sänger heute Abend auch bei den stilleren Stücken wie 'Stand Up And Run' sowie 'Show Me The Way' durchweg überzeugt. Sicherlich sind seine und Ians einzigartige Stimmen nichts für jedermann, aber wenn man dieses dominante Element, das die Band ausmacht, nicht mag, hat man bei ihnen auch nichts verloren. Schließlich ertönt die simple aber unendlich effektive Bassline des Jon Gallant, die uns 'Saint Veronica', ein dramatisches Schmankerl von „III“ ankündigt. Ich persönlich bin hier schon längst auf Wolke 7 und auch das restliche Publikum macht unermüdlich mit Stimmung. Das ist auch gut so, denn wir haben gerade einmal Halbzeit! Weiter geht es ohne langes Zwischengerede mit 'Running Across The Tracks' und der poppigschönen Schnulze 'Diamond On A Landmine'.  Die Band bedankt sich, es werden die Jubiläen (10 Jahre seit dem Debüt, 20 Jahre als Band) erwähnt, eine kleine Anekdote vom Frequency, wo BILLY TALENT mit DTH einen Clashsong coverten zum Besten gegeben und dann wird mit DEM Song losgelegt, der einst „Konzertbeginn“ bedeutete. Das emotionale, über Drummer Aaron geschriebene Stück 'This Is How It Goes' - geschätzte hundertmal gehört - weiß immer noch die Menge mitzureißen. Mit 'Turn Your Back' wird ein kleiner Haken übers dritte Album geschlagen, bevor das Hauptset mit 'Try Honesty' beschlossen wird, bei dem das Publikum noch einmal kräftig mitsingen darf. Als Zugabe dienen die Single 'Devil On My Shoulder' mit dem ewigen Solo von Ian D'Sa sowie der ständige Fanliebling 'Fallen Leaves'. 'Surprise Suprise' hebt die Stimmung schließlich ins Unermessliche, bevor der Evening mit BILLY TALENT nach ihrem wohl erfolgreichsten Song 'Red Flag' sein Ende findet. Wie immer wehen kanadische oder komplett rote Flaggen, als ob es einfach nie langweilig werden würde und es gibt eine kleine Wall Of Death. Dinge, die zu den Deutschland-Anfängen der Band vor zehn Jahren niemand gemacht hat, gehören heute eben dazu. Für sowas hat man dann ein müdes, für das meiste an diesem genialen Abend aber ein sehr breites nostalgisches Lächeln übrig. Dieses Konzert war im Zusammenspiel von der Qualität, Publikumsnähe und Spielfreude der Band einfach noch besser als das letztes Jahr von mir rezensierte und so kann es nur eine Wertung geben... (Fotos by Marcel Hübner)