Es ist vorbei. Der Staub hat sich auch aus den letzten Poren verzogen und das 18. HURRICANE-Festival gehört der Vergangenheit an. Da wird es Zeit, das Wochenende noch ein Mal Revue passieren zu lassen. Der Freitag sollte für mich eigentlich mit GEORGE EZRA auf der Zeltbühne losgehen. Doch schon der zweite Act des Tages auf dieser Bühne war beim HURRICANE-Publikum so beliebt, dass kein Reinkommen mehr möglich war. Also kurzer Hand umgedreht und mir mit FUCKED UP das volle Kontrastprogramm zu dem Singer-Songwriter gegeben. Diese Entscheidung sollte sich schon wenig später lohnen. FUCKED UP gaben nicht nur auf der Bühne alles, sondern vor allem auch davor. Sänger Damian Abraham ließ es sich nicht nehmen, ein intensives Bad in der Menge zu nehmen und stieß dabei bis zum Mischturm vor und verteilte fleißig Umarmungen. Danach ging es dann noch mal schnell zur Red Stage um mir das Phänomen FEINE SAHNE FISCHFILET anzuschauen. Dort war noch mehr los als erwartet und das Publikum hing förmlich an den Lippen der Band, als diese ihre Anti Nazi-Parolen los ließ. Getanzt wurde natürlich auch viel, was sich bei den Party-Ska-Songs ja auch durchaus anbietet. Um nicht wieder vor der geschlossenen Zeltbühne stehen zu müssen und dann womöglich noch CHUCK RAGAN zu verpassen, ging es dann schleunigst rüber. Das Konzert ist dann auch wie erwartet gut, mit einer halben Stunde jedoch viel zu kurz. Er spielt vor allem viele neue Songs, die jedoch dank seiner kraftvollen Stimme wie alte Vertraute wirken. Nach der kurzen halben Stunde bleibe ich der White Stage treu, um die Australier ANGUS AND JULIA STONE zu sehen, die ebenfalls neue Songs von ihrem bald erscheinenden Album im Gepäck haben. Ein Blick über die Schulter verrät mir, dass ich diesmal auch ruhig hätte später kommen können, um noch einen guten Platz zu ergattern. Die Stimmung allerdings leidet nicht unter dem nur zu 2/3 gefülltem Zelt. Das Konzert war gut und die Zeltbühne sicherlich eine gute Entscheidung für die zarte Stimme von Sängerin Julia. In den Abendstunden geht es dann auch schon auf die Highlights des ersten Festivaltages zu. Als THE KOOOKS auf der Green Stage aufschlagen ist es zwar noch hell draußen, doch merkt man bereits dass sich vor der Bühne schon viele für ARCADE FIRE versammeln um auch ja möglichst nah am Geschehen zu sein. THE KOOKS bieten dabei einen schönen Zeitvertreib mit einem Set das vor allem viele Songs ihres Debüts enthält und die dann auch von erstaunlich vielen mitgesungen werden. Arcade Fire by Martin HarztNach dem Ende des Konzerts tut sich im ersten Wellenbrecher so gut wie nichts mehr und die Spannung auf ARCADE FIRE steigt. Nach ihrem Auftritt vor drei Jahren ist ihnen in diesem Jahr die Ehre des Headliners zu Teil geworden – nach dem riesigen Erfolg des Albums "Reflektor" auch kein Wunder. Schon nach kurzer Zeit wird klar, dass sie sich den Titel Headliner redlich verdient haben. Mit einer ansteckenden Leichtigkeit schaffen sie es, die Songs ihrer drei musikalisch sehr unterschiedlichen Alben zu einem Ganzen zusammen zu flechten. Die außergewöhnliche Bühnenshow lässt das ganze Konzert zu einem Gesamtkunstwerk werden. Die Bühne war ganz im Sinne des Albums "Reflektor" dekoriert und im Publikum war eine zweite Minibühne platziert auf der dann zunächst der Spiegelmensch einen sphärischen Auftritt hinlegte und später Sängerin Régine Chassagne mit einem Skelett tanzte. Zwischendurch bekommt man dann mal kurz mit, dass auf der Blue Stage auch ziemlich was los sein muss: CASPER lässt kurzer Hand ein Feuerwerk los, das sich jedoch problemlos in das ARCADE FIRE Set integrieren ließ. Den Abend ausklingen lassen dann Durchstarter MACKLEMORE & RYAN LEWIS. Und wie ein richtig großer Star lässt MACKLEMORE sein Publikum erst ein Mal gute 20 Minuten warten, um dann mit schier endlosen Ansagen, die im hinteren Bereich der Bühne nicht ein Mal zu verstehen waren, die Geduld der Leute weiter zu strapazieren. Vielleicht kam er auch einfach nur zu spät, da er mit einem Album und einer EP nicht wusste, wie er einen 90 Minuten-Slot füllen soll. Jedenfalls lässt die Tatsache, dass er seinen Hit 'Can‘t Hold Us' gleich zwei Mal spielte, so etwas vermuten. Das war der Freitag und mit nur einem schlechten Konzert und vielen sehr guten war das ein sehr guter HURRICANE-Auftakt. Getreu meinem diesjährigem Motto "weniger Bier - mehr Musik" stehe ich tatsächlich am Samstag schon um 13:00 Uhr auf dem Festivalgelände, um mir DILLINGER ESCAPE PLAN anzusehen. Sie sind zwar nicht die erste Band des Tages und fangen auch erst etwas verspätet an, fahren aber trotzdem mit einem ziemlich lauten Aufwachprogramm auf.  Direkt danach gebe ich mir wieder etwas leisere Töne auf der Bühne nebenan mit TO KILL A KING. Die Indie-Entdeckung des Festivals trumpft dann auch noch mit einem kurzen Besuch von BASTILLE auf. Direkt danach geht es dann auch schon wieder rüber zu SKINDRED und so langsam fühlt sich das Bühnen-Hopping schon fast wie Stress an. Doch das Rübereilen hat sich wieder mal gelohnt. Mit ihrem wilden Gemisch aus verschiedenen Musikstilen begeisterten SKINDRED schon am frühen Nachmittag die Massen auf dem HURRICANE. Das Konzert ist eine einzige Party inklusive Staubwolke, die selbst der der DONOTS Konkurrenz machen konnte und einer kleinen Harlem Shake-Einlage. Die fünf-köpfige Band, die bereits 2002 ihr erstes Album vorlegte, hat definitiv einen der besten Auftritte des Festivals hingelegt. Die im Anschluss spielenden TWIN ATLANTIC mussten sich schon häufiger dem Vergleich mit Biffy Clyro stellen. Vielleicht liegt es an dem leicht schottischen Akzent des Sängers. Vor diesem Vergleich jedenfalls müssen sie sich nach dem gelungenem Set nicht mehr verstecken. Neben vielen Songs vom bald erscheinenden vierten Album gab es auch eine Handvoll alter Hits zu hören. Nach einer dringend benötigten Pause ging es dann am späten Nachmittag weiter. Die AUGUSTINES auf der Red Stage sollten es werden. Sie wurden erst recht spät „nachnominiert“, als das offizielle Lineup eigentlich schon abgeschlossen war. Für mich ein absoluter Glücksgriff.  AUGUSTINES machen mit ihrem New Yorker Rock´n´Roll richtig Laune und scheinen schier überwältigt von der Menge der Menschen. Diese wiederum sind völlig vernarrt in das feiernden Trio und feuern sie mit „AUGUSTINES“-Rufen zu weiteren Höchstleistungen auf der Bühne an. Perfekt durchgestylt präsentierte sich dann der nächste große Hype aus Manchester 1975 auf der White Stage. Entgegen meinen Erwartungen blieb die Zeltbühne jedoch relativ leer und im hinteren Bereich drückte und drängelte man sich dann ausnahmsweise mal nicht. Der Auftritt war zwar ganz gut, der Sound aber leider nur mäßig und die Songs der Newcomer waren den meisten Zuschauern wohl noch recht unbekannt, so dass nicht wirklich Stimmung aufkam. Während Deutschland dann kurzzeitig Ghana im Fußball unterliegt, steht mit KRAFTKLUB wieder mal ein deutscher Act auf der Bühne der die Massen zieht. Mit Feuerwerk, Pyro, Bengalos und was man sich sonst noch vorstellen kann, veranstalten sie auf der Bühne eine Abrissparty.  Als sich ihre „in schwarz“ gekleideten Fahnenschwenker dann auch noch als die Burschen von K.I.Z. entpuppen, rastet das Publikum völlig aus. Wer sich da auf den Camping-Plätzen um die mitgebrachten Fernseher drängte, um sich das Gekicke der deutschen Elf anzusehen, hat sicherlich die schlechtere Wahl getroffen. Nach KRAFTKLUBs riesen Party ging es dann gleich wieder weiter zum absoluten Gegenpol. INTERPOL wirken auf der Bühne wie immer ein wenig abwesend, obwohl sich Sänger Paul Banks gesprächig wie selten zeigt. Die Qualität des Auftritts schwankt leider sehr. Mal ist der Sound im hinteren Bereich großartig und manchmal einfach nur zum Abgewöhnen. Das war das zweite Mal, dass ich INTERPOL auf dem HURRICANE gesehen habe (2007 ebenfalls auf der Blue Stage) und auch diesmal kann ich nicht in den Lobgesang vieler anderer einstimmen. Vielleicht sind sie ja einfach nicht für die großen Festivalbühnen gemacht. Im Anschluss bei LYKKE LI befürchte ich dann ähnliches. Scheint ihre zerbrechliche Stimme doch nicht unbedingt für ein Open Air dieser Größenordnung geeignet zu sein. Mein spätes Ankommen an der Red Stage sorgt dann auch leider dafür, dass ich so weit hinten stehe, dass LYKKE LI nur noch irgendwo in der Ferne zu sehen ist und auch vom Sound nur ab und zu etwas zu uns rüber schwappt. Ich beschließe mir Pop-Sternchen LILLY ALLEN gar nicht erst anzusehen, irgendwie passt sie für mich einfach nicht aufs HURRICANE und so wird der Samstag mit eher gemischten Gefühlen beendet. Der Sonntag Morgen lockt dann endlich mal mit richtig Sonnenschein. Doch trotz des guten Wetters lassen sich nur relativ wenige Leute um 13 Uhr bei REIGNWOLF sehen. Das könnte daran liegen, dass der Ein-Mann Tornado zwar bereits mit seinen furiosen Live-Shows von sich hören machte, aber hier zu Lande noch immer als totaler Geheimtipp gilt. Tja und was soll ich sagen, wer auf Rock a la Wolfmother oder die frühen White Stripes steht, hätte das hier nicht verpassen sollen. Nicht nur musikalisch ist REIGNWOLF ein absoluter Genuss, sondern auf der Bühne tatsächlich sein eigenes Feuerwerk. Unermüdlich bearbeitet er seine Gitarre, E-Mandoline (!), Schlagzeug oder was dem Frontmann gerade in die Finger kommt und lässt das Publikum springen, schwitzen, schreien, tanzen und in völliger Ekstase zurück. Was ein Auftakt. Danach wirkten METRONOMY in ihren weißen 60er Jahre,Anzügen wie aus einer anderen Welt und passten damit zumindest designtechnisch ganz hervorragend auf das von wilden Kostümen durchzogene HURRICANE. Das Publikum feierte ihre Mischung aus Elektro und Dance zu Recht und tanzte bei Sonnenschein zu alten und neuen Songs der Briten. JENNIFER ROSTOCK hingegen löste eher Verwunderung als Begeisterung beim Publikum aus (zumindest bei den über 20-jährigen), als sie zwei junge Frauen für einen Gesangswettbewerb auf die Bühne holte. Als der dann jedoch in Begutachtungen der äußeren Geschlechtsmerkmale der beiden durch Sängerin Jennifer Weist überging, verließ ich das Geschehen vor der Green Stage schnell in Richtung Zeltbühne. Dort gaben YOUNG REBEL SET ein gewohnt ordentliches Set ab. Auch die WHITE LIES legten danach einen soliden Auftritt hin, der aber weitestgehend ohne besondere Höhepunkte auskam. Aber vielleicht kam mir nach dem furiosen Auftritt von REIGNWOLF danach auch einfach alles nur noch halb so toll vor. Zum Abschluss des HURRICANE gibt es dann mit FETTES BROT und SEED noch ein bisschen deutschsprachige Musik. Wobei der Auftritt von FETTES BROT für meinen Geschmack etwas zu viel Klamauk beinhaltete und dieser auch irgendwie viel zu durchorganisiert schien. SEED hingegen präsentierten sich deutlich spontaner und das Publikum feierte die Hits von und um Peter Fox herum. Mehr als nett war der Auftritt für mich allerdings nicht, was aber auch daran liegen könnte, dass ich als letzten Act auf dem HURRICANE in den vergangenen Jahren einfach schon Bands ganz anderer Größenordnung gesehen habe. Insgesamt fällt auf, dass das HURRICANE das Line Up noch mal deutlich in alle Richtungen geöffnet hat. Jeder soll hier mit großen Namen bedient werden, egal welche Musikrichtung man favorisiert. Das Konzept jedenfalls scheint zu funktionieren, wieder ein Mal war das HURRICANE ausverkauft und der Vorverkauf fürs nächste Jahr ist bereits recht erfolgreich angelaufen. (Photos by Martin Harzt)