(
Victory Records)
TEAR OUT THE HEART habe ich als recht gefällige Metalcore-Band mit modernem Einschlag im Hinterkopf gehabt, ohne aber (ganz ehrlich gesagt) auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, wie sie genau klingen. Das alte Album-Cover hatte sich halbwegs eingebrannt, sodass ich es zumindest schnell aus einer Auswahl von 100 Scheiben hätte herauspicken können, aber musikalisch war da so rein gar nichts hängen geblieben.
Also nahezu jungfräulich gehe ich auch an das neue Album
''Dead, Everywhere'' ran und arbeite mich durch die insgesamt 14 Tracks der Scheibe.
Eine Art Prediger-Intro soll mich wahrscheinlich zum Nachdenken anregen, darauf hinweisen, wie wütend die Band ist, ohne auch nur einen einzigen Ton gespielt zu haben, doch so richtig will mich das nicht auf die Scheibe einstimmen
(ging mir ähnlich! - Zosse). Ein Elektro-Industrialhauch weht mit den ersten Takten von
'Feel Real' umher, bis es im Refrain erstmalig den lang ersehnten (oder herbeigefürchteten?!?) Sonnenaufgang gibt: Cleanvocals, die mich unglaublich laut anschreien, ein Background-Chor, der wie bestellt und nicht abgeholt seine „Wo-ho-ho-hohohooos“ zum Besten gibt. Danach, wer hätte es geahnt, ein Breakdown…
Dieses Schema zieht sich nahezu durch die gesamte Scheibe, viel Luft zum Atmen gibt es für den Zuhörer nicht, dafür sorgt eine unglaublich dichte Produktion, bei der in sämtliche Klanglücken Synthesizer, Elektrospielereien, Hintergrundarrangements etc. reingepresst wurden. Satt, aber auf Dauer etwas zu viel für meinen Geschmack.
Schnell ist die Aufmerksamkeit dahin, und es dauert tatsächlich bis zum fünften Track, dass ich erstmalig auflausche und mir denke „Ja, das gefällt mir ganz gut!“.
Fast schon frech ist das Kalkül, das darauf folgt: im direkten Wechsel folgen immer ein vermeintlich schwächerer Song und daraufhin wieder eine etwas bessere Nummer, und das zieht sich durch das restliche Album durch (okay, am Schluss wird es insgesamt wieder etwas schwächer).

Dass
TEAR OUT THE HEART richtig gute Songs schreiben und mit ihren Arrangements umgehen können, beweisen sie auf diesem Album ziemlich gut. Allerdings beweisen sie auch mindestens genauso gut, dass sie bereit sind, den Rest der Scheibe mit einer Reihe von Füllsongs vollzustopfen, der aus einer richtig, richtig, richtig guten EP ein eher mittelmäßiges Gesamtalbum macht. Schade, hier wäre mit weniger Songs mehr Wirkung erzielt worden.
Möglicherweise ist das aber auch wieder eine Frage von Hörgewohnheiten und ein Großteil der Leute findet genau die Songs, die ich feiere, eher lahm. Wer weiß das schon. Richtig schlecht ist diese Scheibe insgesamt dadurch nun allerdings nicht, es findet sich eine vertretbare Anzahl guter Songs drauf, aber halt leider auch jede Menge Kram, den man auch noch hätte ausarbeiten können. Eine klare Weiterentwicklung der Band ist dennoch zu sehen, gerade im Bereich der Produktion und Arrangements. Da haben sie einen richtig großen Schritt nach vorne gemacht. Respekt!
Insgesamt vergebe ich vier von sechs Blitzen mit dem Hinweis, dass meine persönliche Songauswahl der Scheibe das Ganze zwar auf ca. 9 Songs gekürzt hätte, aber dafür auch dann mindestens einen Blitz mehr eingebracht hätte.
Album-VÖ: 23.01.2015
(Photo by Chris Bauer)