(Spinefarm Records / Caroline) Zum 20. Band-Geburtstag beschenken sich die 36 CRAZYFISTS quasi selbst mit dem bislang siebten Album ihrer Karriere. Das langersehnte Werk erscheint nach vierjähriger Veröffentlichungspause, doch "Time And Trauma" ist keineswegs ein süßer Geburtstagskuchen. Nach dem tragischen Krebstod seiner Mutter brauchte Sänger Brock Lindow erst einmal Abstand und Ruhe, das Trauma zu begreifen. Die daraus entstehend Wartezeit war unabdingbar. Aber solch eine lange Abstinenz kann über Erfolg und Misserfolg einer Band entscheiden. "Time And Trauma" hat das Zeug dazu, die Fans versöhnlich zu stimmen und neue zu gewinnen. Der einzigartige Gesang von Brock Lindow ist sicherlich nach wie vor nicht jedermanns Sache, doch wer einen vergleichbaren Shouter kennt, der darf sich gerne melden! Zudem hat der Gute an seiner Stimme weiter gefeilt und klingt noch abwechslungsreicher und souveräner als zuvor. Das andere Gründungsmitglied, Gitarrist und Hauptsongwriter Steve Holt zelebriert wieder massig eindrucksvolle Riffs, neuartige Tunings sowie neuartige Einflüsse wie Sludge. Der Soundtüftler hat das neue Werk auch produziert und liefert einen ungemein wuchtigen und fetten Sound ab, der perfekt aber nicht steril daherkommt. Basser Mick Whitney ist nach vierjähriger Pause wieder zurück und trotz Klampfenwänden sogar öfter zu hören als zuvor. Neuschlagzeuger Kyle Baltus macht seine Sache wunderbar und man bemerkt den Wechsel höchstens an den fehlenden groovigen Tomläufen. Ansonsten übernimmt Baltus viele Stilmittel seines Vorgängers, wodurch der Wechsel nicht zum Nachteil gereicht. Brock fokussierte sein Leid in seine bis dato persönlichsten Texte. Schon der Vorgänger war eine ergreifende Ist-Zustandsbeschreibung, und erneut benutzt der Frontmann die Band als Ventil, was in das zum Teil aggressivste Material der Band-Geschichte mündet. Leider geht hier und da der klare Fokus vergangener Veröffentlichungen verloren. Auf der anderen Seite sind die einstiegen Mitbegründer der New Wave of American Metal weiter ein Unikat, heben sich wohltuend vom Metalcore-Einheitsbrei ab und besitzen eine eigene Identität. "Time And Trauma" klingt ganz klar nach 36 CRAZYFISTS und doch haben sich einige neue Einflüsse mit dem explosiven Stil verquickt. Wie beim Vorgänger ist das Ergebnis eine sehr gute Metal-Platte aber die Extravaganz eines Überalbums wie "A Snow Capped Romance" (2004) wird nicht erreicht. Hier war jeder Song ein Hit! Auch der Drive und die erhöhte Divergenz aus Melodie und Härte des Klassikers "Rest Inside the Flames" (2006) bleibt einzigartig. Das dritte Werk im fantastischen Triumvirat "The Tide and Its Takers" (2008) lotete die Extreme weiter aus und sorgte für noch mehr Härte und Geschwindigkeit. Klar, dass man sich danach irgendwann wiederholen muss, wenn man seinem Sound treu bleiben will. An vielen Stellen strahlt die einzigartige Klasse durch und mit jedem Durchlauf entdeckt man mehr Details. "Time And Trauma" ist ein Arbeitsalbum, hier zündet kaum etwas sofort wie auf den früheren Werken. Leider will trotz häufigem spannendem Songaufbau nicht jeder Refrain so recht zünden. 36-crazyfists-time-and-trauma-7288Was sich hier stellenweise wie eine Demontage anhört, ist eine Kritik auf hohem Niveau, denn solch ein Album soll dem Quartett erst mal jemand nachmachen. Aber wenn man zu Lebzeiten schon drei Scheiben für die Insel in der Diskografie hat, dann macht man sich selbst logischerweise das Leben schwer! Zusammenfassend kann man sagen: "Time And Trauma" macht Spaß, bietet gute Songs aber wenig Klassiker! Album-VÖ: 20.02.2015 (Photo courtesy of Spinefarm and Oktober Promotion)