(Roadrunner Records/Warner)
Nach dem vierten Hördurchgang (anhören, nicht durchskippen!) von
"We Are Harlot" muss ich erstmal durchschnaufen und versuchen zu ordnen, was hier gerade passiert ist. Kann es immer noch nicht so richtig benennen und versuche es im Laufe dieses Reviews zu beschreiben, damit es sich herauskristallisiert, was ich meine.
Die bekannten Fakten:
Danny Worsnop stellte sein außergewöhnliches Gesangstalent für knapp 8 Jahre in den Dienst der MetalCore-Band
Asking Alexandria, mit welcher er Headline-Shows sowie Chartplazierungen einfahren konnte. Durch seine Fähigkeiten am Mikrofon und der Beherrschung der Klaviatur des modernen Metal/Core/Rock hatte
Asking Alexandria immer ein Alleinstellungsmerkmal inne, was im Genre des MetalCores viel wert ist.
Danny Worsnop growlt, schreit/kreischt und zelebriert den cleanen Gesang wie kein Zweiter in diesem Bereich.
Nach etlichen Problemen innerhalb der Band, die aufgrund seiner Alkoholproblemen noch verstärkt worden sind, wurde
Danny Anfang 2015 offiziell gekickt und konnte sich somit neuen und schon laufenden Projekten widmen.
Und hier haben wir nun
WE ARE HARLOT (gegründet 2011), die Neuerfindung des Herrn
Worsnop, der mit 25 Lenzen endlich erwachsen geworden ist und dies mit dem Debütalbum seiner neuen Band feiern möchte. Er konnte mit
Jeff George (
Sebastian Bach),
Bruno Agra von
Revolution Renaissance und
Brian Weaver (Silvertide) einige Profis um sich sammeln und
"We Are Harlot" wurde klischeegerecht in
L.A., der Heimat des SleazeRock, produziert. Ich rede von Klischee, da hier offensichtlich dem 80er Jahre Rock Respekt gezollt wird - aber der Reihe nach:
Mit
'Dancing On Nails' und
'Dirty Little Thing' geht es schonmal ziemlich offensiv Richtung Mid-Tempo Rock inklusive großer Geste im Chorus und die Referenzbands der Hairmetal-Ära lugen mehr als einmal um die Ecke. Mit
'Someday' folgt ein Song, bei dem sich mir die Nackenhaare hochgestellt haben, weil ich vom Sound her eine typische
Mutt Lange-Produktion vor Augen (oder besser: im Ohr) hatte, der ja bekanntlich
Def Leppard und
Bryan Adams den letzten austauschbaren Schliff verpasst hat. Da ich diese saubere und überproduzierte Version des Rocks aber nie mochte, ist
'Someday' ein Schlag in die Fresse des guten Geschmacks und ein potenzieller Kandidat für die Skip-Taste.
'Denial' beginnt mit leichtfüssigem Pianogeklimper und gesanglichem
Bon Jovi-Gedächtnisintro, um dann zum Glück durchzustarten. Die Geschwindigkeit wird angezogen, der Song entwickelt sich zu einem wahren Sturm, der einen grandiosen Refrain zu bieten hat, durchsetzt ist mit famoser Gitarrenarbeit mit dazugehörigen Solis und eine minimale Erinnerung an
Asking Alexandria schimmert ebenfalls durch, da
Danny zu seinen bekannten Growls ansetzt und somit
'Denial' durch seine Abwechslung und dem richtigen Punch zum Hit des Albums kürt.
Die immer wieder auftretenden AOR-Anleihen werden bei
'Easier To Leave' oder der überflüssigen Ballade
'I Tried' bis zur Schmerzgrenze ausgelotet und man ist sich nicht sicher, ob man nicht doch zum Original wie
Great White oder
Foreigner greifen sollte.
Wenn dann nicht auf einmal wieder wahre Schmankerl zum Vorschein kommen würden wie
'One More Night', welches zwischendurch einen coolen Breakdown andeutet, um dann Uptempo bis zum überraschenden Gitarrensolo durchzuziehen. Was für ein brilliantes Stück Musik! Und im Anschluss folgt
'Never Turn Back', kurzer Anzähler und die Mischung aus cleanem Gesang im Chorus und der aggressiveren Gestaltung in der Strophe packt einen bei den Eiern und lässt auch nicht mehr los, da der stampfende Rhythmus zu hymnisch aufgebaut ist, als das man losgelassen werden möchte.

Das funkige
'The One' erinnert am Anfang an
Extreme oder
White Trash (falls die noch jemand kennt), um das im (wieder mal gut eingesetztem) Chorus perfekt in den modernen Alternativ-Rock zu transportieren. Schönes Lied, welches nicht stört, aber auch nicht vermisst worden wäre.
Ob man nun
Buckcherry,
Hardcore Superstar,
Santa Cruz oder
Slash feat. Myles Kennedy & The Conspirators in der Jetztzeit auf den Thron des SleazeRock heben möchte, muss auch
WE ARE HARLOT einkalkulieren, was
'Love For The Night' oder das härtere
'Flying Too Close To The Sun' zum Abschluss des selbstbetitelten Debüts beweisen.
Da ist trotz toller Ansätze noch Luft nach oben, der Imagewechsel steht
Danny Worsnop aber exzellent und man darf auf weitere Großtaten gespannt sein.
Wegen einiger Totalausfälle und diversen Füllersongs gibt es "nur" 4 Blitze....aber
WE ARE HARLOT wird dennoch der neue heisse Scheiss im ROCK werden. WORD!
Album-VÖ: 27.03.2015
(Photo courtesy of Roadrunner Records)