(Island/Universal)
"Shut up and play the Hits" hieß der äußerst sehenswerte und 2012 veröffentlichte Hybrid aus Musik/Konzert- und Dokumentarfilm vom
LCD Soundsystem. Wäre dieser Titel damit nicht schon vergeben, wäre es der passende Titel für das neuste Werk der BritFolkRocker
MUMFORD & SONS. Nun heißt die Hitsammlung
"Wilder Mind" und wird uns dieses Jahr mit Sicherheit zwei bis drei Sommerhits bescheren.
Schaut man sich die Reaktionen und Rezensionen auf
"Wilder Mind" in der Musikpresse und den musikaffinen Internetforen an, so scheint es derzeit en vogue zu sein, das neue Album der
Londoner Folkrocker geradezu in der Luft zu zerreißen. Was haben sich die Reanimatoren des Folk-Pops nur dabei gedacht...
...tja, um das endgültig zu klären, muss man sich wahrscheinlich einmal den Auftritt der Band beim
Glastonbury Festival 2013 vor Augen führen. Schließlich bekleideten die Mannen um
Marcus Oliver Johnston Mumford in diesem Jahr die Headlinerposition beim renommiertesten Musikfestival der Welt. Nur hatte die Band gerade mal eine handvoll Hits im Repertoire und nachdem diese verpulvert waren, musste man sich am Ende der Show gar bei den übermächtigen
Beatles bedienen um dem Live-Erlebnis zum Ende noch mal einen Höhepunkt zu verpassen. In der Folge reifte wohl in der Band die Erkenntnis, dass dieser Zustand so nicht bleiben darf, denn will man sich im Konzert der ganz Großen etablieren, dann braucht die Band vor allem eines: Hits, Hits, Hits. Also das Banjo in die Ecke gepfeffert und Produzent
James Ford entführt, welcher bereits die
Arctic Monkeys und
Florence and the Machine auf den Headlinerbühnen der
europäischen Festivals verankerte.
Somit bewegen
MUMFORD & SONS ihr Bandschiff nun nicht mehr ausschließlich auf dem Lagerfeuerfolkhighway, sondern nehmen die direkte Abfahrt nach RadioPopHausen indem sie der Beschilderung
Coldplay, Kings of Leon, Snow Patrol folgen. Vor allem die Referenzband
Coldplay wird einem immer wieder einfallen, wenn man sich den Songs von
"Wilder Mind" nähert. So erinnert der Opener
'Tompkins Square Park' nicht nur vom Titel sehr stark an
'Square One' von
Coldplays drittem Longplayer
"X&Y". Und auch bei ihren Landsleuten bedeutete das Drittlingswerk im Nachheinein den Wendepunkt vom Indieact zum Big Player. Dieser Weg scheint auch für
M&S vorgezeichnet, schließlich befindet sich bereits die Vorabsingle
'Believe' auf Hotrotation rund um den Globus. Und es gehört inzwischen auch nicht mehr viel Fantasie dazu, sich auszumalen wie ein ganzes Stadion:
„I don't even know if I believe“ skandiert, während eine bombastische Lightshow und ausgeklügelte Pyroeffekte den Song auch an den Bildschirmen der Liveübetragung zum Erlebnis machen werden. Ohne Effekte auf der Bühne wird sicherlich
'The Wolf' auskommen. Ein freundlicher Geradeaus-Rocker, dessen treibender Beat den Song auch durchaus in die Indiediscoplaylists des Landes spülen könnte. Der Titeltrack
'Wilder Mind' könnte durchaus inspiriert sein durch einen gemeinsamen Gig mit
Bruce Springsteen und spätestens
'Just Smoke' zeigt, dass man im Songwritting nicht zu viel verändert hat. Die Songstrukturen eines typischen
MUMFORD-Kleinodes hört man nämlich durchaus heraus. Es fehlen halt nur die Akkustik-Instrumente, wie bereits im Vorfeld von
Marcus Mumford angekündigt:
„Als wir uns an die ersten Demoaufnahmen mit Aaron machten, war uns eigentlich schon klar, dass wir dieses Mal ohne Akustik-Instrumente arbeiten würden. Wir sagten uns zwar nicht explizit: Akustik-Instrumente verboten! Nein, stattdessen hatten wir einfach alle Lust darauf, die ganze Sache mal etwas anders anzugehen. Was das Songwriting angeht, reden wir hier nicht von sonderlich krassen Veränderungen, es war wohl eher der Wunsch, sich nicht zu wiederholen. Und dazu kommt, dass wir uns alle noch einmal neu in das Schlagzeug verliebt haben – so einfach erklärt sich das alles.“

Wirklich herausragen tut dann allerdings erst wieder der Song
'Snake Eyes' in der Mitte der Platte. Ein Song den man bereits nach dem ersten Hören gerne in einer Liveumsetzung erleben möchte. Die Deluxe-Variante der CD erfüllt diesen Wunsch auch umgehend. Zum Abschluß gibt es vier Tracks des Albums in frisch eingespielten Liveversionen. Abschließend betrachtet, sind es vor allem die schnelleren Songs, welche den neuen
MUMFORD & SONS gut zu Gesicht stehen, wie es auch der Song
'Ditmas' beweist, welcher ab sofort auf jede Best Of-Compilation dieser Band gehört.
Summa summarum, eines haben
MUMFORD & SONS nun sicherlich geschafft, die Band wiederholt sich mit dem neuen Album auf keinen Fall. Die selbstauferlegte Zurückhaltung des Vorgängers
"Babel" ist mit diesem Werk passé. Es soll in die Vollen gehen. Dies klappt leider nicht zu hundert Prozent, und bei all dem Mut, den die
Briten bei der weiteren Ausrichtung ihrer Karriere hier beweisen, mir ist es insgesamt noch nicht mutig genug. Erfreulich ist jedoch, dass die Band nicht zu einer Kopie ihrer selbst verkommt. Spannend wird es sein, zu beobachten, wie die Band die alten Songs auf der Bühne umsetzen wird, denn die Banjos scheinen eingemottet.
Album-VÖ: 01.05.2015
(Photo courtesy of Universal Music)