(Vertigo/Universal) Bereits 2002 haben TOCOTRONIC ein selbstbetiteltes Album veröffentlicht und damit einen gewissen Wandel im Sound der Band eingeschlagen. 13 Jahre später veröffentlichen die Hamburger erneut ein Album namens "Tocotronic", welches allerdings aufgrund seines Covers allgemein als "Das Rote Album" tituliert wird. Irgendwie passend, da sich alle Tracks auf dem Album dem Thema Liebe in seinen zahlreichen Facetten widmen. Aber wie vor 13 Jahren hat die Band ihren Sound hier nochmals gehörig umgekrempelt. Mit ihrem elften Studioalbum verabschieden sich TOCOTRONIC vom sogenannten Diskursrock. Zwölf Songs, plus Hidden Track, widmen sich dem zentralen Thema Liebe. Den Start in die Songsammlung markiert der 'Prolog', welcher als Vorabsong bereits veröffentlicht wurde und durchaus als repräsentativ für den Sound des Albums angesehen werden darf. Absolut reduziert, kommt der Track fast gänzlich ohne Gitarren aus. Die Single 'Die Erwachsenen' ist wohl die eindeutigste Referenz auf dem Album an den Sound von Bands wie The Cure, The Smiths oder auch New Order. Und genauso hat man es sich wohl klanglich immer vorgestellt, wenn die TOCOS sich dem Pop zuwenden sollten. Tja, das haben sie hier nun endgültig getan, und es wird sicher nicht lange dauern, bis die ersten „Schlager“-Vorwürfe die Band ereilen. Doch man ist hier nicht darauf aus, Punkte zu sammeln, wie man es dann gleich lyrisch im Song 'Rebel Boy' verankert. Und bei den ersten Klängen zu 'Chaos' kann man gleich hören, dass nicht nur die Synthies satten Einzug in das Soundschema der Band genommen haben, sondern dass man auch Gefallen am Klang der Akustischen gefunden hat. Die Songs wirken insgesamt eher ruhig und ausgeglichen. Man vermisst hier und da den großen Ausbruch, bekommt aber mit 'Sie Irren' dann doch noch einen Rocksong geliefert. Lyrisch befindet man sich nahe an den Spät-TOCOS der letzten Jahre, kann aber, trotz des Plattenthemas, irgendwie nicht so wirklich berühren. Neben der exzessiven Verwendung sämtlicher Personalpronomen, dürfte wohl auch der Song 'Zucker', das größte Nervpotential der Platte besitzen und am meisten polarisieren. „Du bist aus Zucker, du bist zart, Du schmilzt dahin, du wirst nicht ha- ha- hart“. Na ja, und so gibt es halt manch textlichen Fehlgriff auf dieser Platte, welche die Hamburger ansonsten mit beiden Beinen durch tiefste Popgewässer waten lässt. Tocotronic by Michael_Petersohn_Vertigo_BerlinProduziert wurde das Album erneut vom Producer-Papst Moses Schneider. Ergänzt wurde die Arbeit dieses Mal jedoch durch den Sounddesigner Markus Ganter, welcher bereits seine Hände bei Sizarr und Caspers "Hinterland" im Spiel hatte. Auch dieser Einfluss ist dieser Platte anzuhöhren und es lässt sich durchaus vermuten, dass Ganter für die gelungenen Popmomente dieser Platte verantwortlich ist. TOCOTRONIC deuten mit dem neuen Album durchaus neue musikalische Pfade an, erfinden sich aber sicherlich nicht völlig neu. Aber das muss diese Ausnahmeband auch überhaupt nicht. ALBUM-VÖ: 01.05.2015 (Photo by Michael Petersohn)