Das die Rückkehr der Open Air Bühnen auf den
Bielefelder Campus einem solchen Triumphzug gleichkommt, damit haben sicherlich noch nicht mal die Veranstalter gerechnet. Direkt das erste Campus Fest, nach vereinzelt ähnlich gelagerten Veranstaltungen in der Pre-Bachelor Zeit, konnte sich ausverkauft schimpfen und bot mit Acts wie
ALIGATOAH, GENTLEMAN oder
ZUGEZOGEN MASKULIN auch echte Zugpferde was den Ticketabsatz unter dem Studentenvolk angeht. Natürlich wurde auch die Gitarrenfraktion bedacht und man bekam mit
GO GO BERLIN,
ANNENMAYKANTEREIT oder
THEES UHLMANN auch Acts aus der musikalischen Feinkost Abteilung serviert.
Bevor jedoch die musikalischen Acts das Geschehen auf dem Campus bestimmen sollten, hieß es zunächst einmal Open Air-Bühne frei für den bereits als Kult geltenden
Bielefelder Hörsaal-Slam. Peotry-Slam Größen wie
Julia Engelmann oder
Micha-El Goehre haben sich in den letzten Jahren vor allem durch die
Bielefelder Slam Veranstaltungen einen national bekannten Namen gemacht. Und
Goehre hat es sich auch bei der Premiere des
Bielefelder Campus Festes nicht nehmen lassen, seiner alten Heimat einen Besuch abzustatten und über seinen „Job“ als DJ zu resümieren.
Der erste musikalische Act des Tages dürfte dann auch ganz nach dem Geschmack des Ausnahme-Slammers gewesen sein,
GO GO BERLIN. Die
dänischen Zottel-Rocker haben sich in den
deutschen Landen bereits eine beachtliche Fanbase erspielt und das nicht erst seit dem Auftritt als Schrankband bei
Circus Halligalli. Dennoch gilt eine Stagetime von 16:00 an einem Werktag eher als undankbar. Den
Dänen war es egal und sie rockten sich durch ein gutes halbstündiges Set welches die Zuschauer hier und da auch zum mitklatschen animieren konnte. Werbung in eigener Sache – check! Bei der nächsten Stipvisite der
Skandinavier in
Ostwestfalen werden sicher einige Zuschauer den Weg erneut zur Bühne finden.

Im Anschluss gaben sich
OLYMPIQUE auf der Hauptbühne die Ehre. Die Band gehört neben
Wanda und
Bilderbuch wohl zu den aufstrebenden
österreichischen Acts aus dem neuen Wunderland des Pop/Rock. Sie bewiesen das ihnen die große Geste nicht fremd ist und können mit ihrem Charme große Teile des Publikums von sich überzeugen. Und dass sie mit Songs wie
'Face Down The Earth' auch noch einige Hits im Köcher haben, sollte einem zu erwartenden Karriere-Boost letztendlich nicht schaden.
Nach kurzer Umbaupause ist die Haupt-Bühne bereitet für die Band der Stunde. Und bereits beim Opener
‘Jeden Morgen’ wird ohrenscheinlich klar, was das Faszinierendste an der Band
ANNENMAYKANTEREIT sein dürfte: die ungewöhnliche Stimme von Sänger
Henning May. Der junge
Kölner hört sich an, als habe er Whiskey und Zigarettenrauch bereits mit der Muttermilch aufgesogen. Er selbst erklärt sich seine tiefe Stimme durch die starke Beanspruchung als Straßenmusiker in
Köln, denn von dort aus haben
ANNENMAYKANTEREIT ihren künstlerischen Weg begonnen, der sie nun bis an die Spitze der deutschen Festival Line Ups führt. Die Band mit den drei Nachnamen ist inzwischen sogar zu fünft auf der Bühne, dennoch wird man sicherlich einen Teufel tun und über eine Namensänderung nachdenken. Livehaftig ein Erlebnis, welches zwar im Club sicherlich besser kommt, als auf der großen Open Air Bühne, aber dennoch – gebt uns doch endlich das Album auf welches wir warten, Jungs!

Die zweite Hauptbühne konnte im Anschluss mit
TAYMIR, einer
niederländischen Indierockband, aufwarten. Nicht nur optisch erinnerten die vier Musiker an die bekanntesten Vertreter der Britpopwelle. Auch der Sound lässt sich irgendwo zwischen
Oasis, Blur, den
Monkeys und den
Chiefs verorten. Dennoch konnten die Jungs den Funken beim Publikum nicht zünden lassen. Der
Musikexpress würde es wahrscheinlich darauf zurückführen, dass die Jungs einfach zu 2005 sind.
Im Anschluss spielt
THEES UHLMANN eines seiner wenigen und letzten Konzerte mit seiner
THEES UHLMANN BAND in diesem Sommer. Ab Herbst gibt es dann nämlich vorrangig
THEES UHLMANN den Autor, welcher dann mit seinem Debütroman die Republik bereisen und wird und auf Lesetour einlädt. Das ihm das durchaus zuzutrauen ist und er ein wahrhaft großer Geschichtenerzähler ist, beweist er auch an diesem Nachmittag mit seinen Anekdoten zwischen den Songs, hauptsächlich entnommen von seinen beiden Soloalben. Als besonderes Schmankerl findet sich im Set aber auch
'Die Schönheit Der Chance' aus dem
TOMTE Fundus, was einem dann allerdings auch schmerzlich bewusst macht, dass die
TOMTE-Bandpause nun auch langsam mal ihr Ende finden dürfte.

Die Lücke die
TOMTE auf den Sitzbänken der
Hamburger Schule hinterlassen hat, kann jedenfalls auch von
SCHNIPO SCHRANKE nicht geschlossen werden. Auch wenn die Band mit
'Pisse' wohl einen der besten deutschsprachigen Indie/Pop/Punk-Songs der letzten Jahre ihr geistiges Eigentum nennen kann, auf Konzertlänge wirkt die Band von
Daniela und
Fritzi schon recht anstrengend. Man darf also gespannt sein, wie es mit dem bald erscheinenden Album und anschließender Tour durch (gefühlt) sämtlich Städte Deutschlands klappt.
Als in den Abendstunden
GENTLEMAN und
ALIGATOAH das Studentenvolk vor der Hauptbühne zum ausrasten brachten, konnten sich die Liebhaber der Gitarrenmusik bereits entspannnt mit einem Bierchen in der Hand zurücklehnen und nochmals den Blick über diese neue Festivallocation wandern lassen. Das Campus Festival in
Bielefeld hat durchaus Charme und Potential. Abgesehen von einigen Kinderkrankheiten, wie z.B. einer sehr geringe Anzahl von Dixiklos für ein Festival in dieser Größenordnung, kann man die Premiere 2015 als gelungen bezeichnen. 2016 gerne auf ein Neues. Und gerne mit mehr Gitarren!
Photos by Mark Haake