Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, mit Iain und Jonas von den DESASTERKIDS unter anderem über deren Debut-Album "030", Individualität und Religion zu sprechen. Die beiden haben sich während der brütenden Hitze am ersten Juli-Wochenende Zeit genommen, um ihre Gedanken zu teilen. Hallöchen. Zu allererst würde ich sagen, dass ihr euch und eure Rolle in der Band einfach mal vorstellt. Iain: Also ich bin Iain, spiele Gitarre und singe die meisten cleanen Parts. Jonas: Ja hallo, ich bin der Jonas. Ich bin der Basser und leite das meiste Organisatorische. Vor kurzem erschien euer Debut-Album "030". Wie würdet ihr euren gegenwärtigen Sound beschreiben? Am besten in drei Worten. Iain zeigt mir erst einmal seinen Einkauf, da die Jungs an dem Tag an den Wannsee wollten. Angeblich hätten sie einen Geheimspot, den Pennerstrand. Klingt verlockend, man sollte sie mal begleiten... Iain: Also unser Sound in drei Worten: laut, dunkel und dreckig. Wir haben für das Album versucht, es nicht so steril zu halten wie viele andere. Wir wollten raue Sounds, Rückkopplungen und Gedonner. Ihr wolltet ja vor allem auch den Nu-Metal-Sound einfließen lassen. Jonas: Auf jeden Fall, voll geil! Wie sah es denn davor bei der EP aus? Die habe ich bisher noch nicht gehört. Iain: Die brauchst du gar nicht hören! Jonas: Der Schritt von der EP ist echt gewaltig. Es liegen mittlerweile 2 Jahre Entwicklung dazwischen. Wir haben viel zusammen erlebt und das ist alles ins Album eingeflossen. Jonas raucht währenddessen und Iain bittet Jonas, ihm nicht so in die Fresse zu qualmen. Welche Message wollt ihr den Leuten mit dem Album näherbringen? Jonas: Wir wollen den Leuten vor allem übermitteln, dass sie ihr Ding machen sollen. Jeder ist frei in dem, was er tut. Iain: Es gibt zu viele Leute, die sich aufgrund der sozialen Konventionen zu sehr kontrollieren und lenken lassen. Jeder wird sein Glück finden...egal, was er tut. Und das wollen wir ausstrahlen. Ist die Band dabei euer beruflicher Mittelpunkt oder geht ihr noch anderen Jobs nach? Jonas: Wir stecken so viel Zeit in die Band, dass für einen klassischen Hauptberuf keine Zeit mehr bleibt. Wir halten uns alle über Wasser. Iain: Wenn du dein Ziel erreichen willst, musst du es umsetzen. Es nimmt viel Zeit in Anspruch, aber die wollen wir uns nehmen. Wir haben alle Jobs, die die Grundlage dafür schaffen, was wir eigentlich machen wollen. Musikalische Erleuchtungen und Ideen kommen dabei in Iains Wohnung in Berlin-Neukölln, der DESASTERKIDS-Zentrale. Jonas hält sich dort oft auf und nervt den Iain wohl öfter mit seinem Rauch. Wie ist die Resonanz für das Album bisher gewesen? Iain: Sehr gut. Wir hatten in der ersten Woche bereits 14.000 Streams bei Spotify und YouTube. Das Problem daran ist leider das Konsumverhalten der Hörer. Viele wollen dein Album hören, doch nur wenige wollen es kaufen. Man verdient damit kein Geld mehr, nur mit Shows und Merch. Das ist sehr schade, wenn ich mich erinnere, wie ich früher vor dem CD-Regal meiner Eltern saß, alles durchgehört und die Booklets durchgelesen habe. Sind Streaming Services aber nicht auch eine Chance für Bands, entdeckt zu werden? Jonas: Das stimmt. Und unser Hauptanliegen ist es ja, den Leuten unsere Musik zur Verfügung zu stellen. Wir wollen, dass jeder Mensch auf der Welt in unsere neue Platte reinhört. Schade ist, dass die Leute das dann nicht mehr kaufen, denn so ein Album kostet einen Haufen Kohle. Und das Geld kriegen wir nur über Shows und Merch wieder herein. Iain hat zwar auch noch vereinzelt CDs zu Hause, aber gar keinen CD-Player mehr. Iain: ...und irgendwann werden meine Ozzy Osbourne- Livealben auch ein Relikt sein. Jonas: Das ist auf jeden Fall eine sehr bedenkliche Entwicklung. Iain: Die Leute betrachten Musik als immer wertloser. Wir hätten mal ein Studiodiary machen sollen, um den Leuten zu zeigen, wie so ein Album entsteht. Viele denken, es wäre so einfach. Du hast Zeitdruck, es kommt zu technischen Schwierigkeiten und so weiter. Viele denken, man schreibt das Album schnell zu Hause und schickt es einem Guru, der es gut klingen lässt. Es kostet aber viel Energie, Emotionen und Kraft, seinen Sound zu finden. Das glaube ich! Ihr habt dann also eure Songs geschrieben und seid zum Chris [Gitarrist und Sänger bei Annisokay] nach Halle gefahren? Jonas: Ja, so ziemlich. Wir hatten schon eine Menge Material und haben uns dann darauf geeinigt, was wir alles im Studio aufnehmen wollen. Wir haben dann einen Song probehalber aufgenommen und 2 Monate später das Album. Beim Aufnehmen des Songs haben wir unseren Sound gefunden und deswegen ist in den 2 Monaten auch noch einmal viel [an den Songs] passiert. Wie lange haben die Aufnahmen gedauert? Iain: 2 Wochen für das reine Aufnehmen. Der Mix kam dann später. Desasterkids_Digipak.inddDie Jungs haben dabei auch eine eigens benannte Krach-Session gemacht. Dabei haben sie sich 5 Stunden in einen Raum eingesperrt und die Verstärker so laut aufgedreht, dass es nur noch Rückkopplungen gab. Diese haben sie dann im Album verbaut. Das klingt, als würden die Gitarren aus allen Nähten platzen. Da müsst ihr auf jeden Fall noch einmal genauer hinhören... Um mal über aktuelle Themen zu reden: Ich habe letztens ein Bild gesehen, das die Entwicklung vom Affen zum Menschen aufzeigt. Der Mensch dreht sich in diesem um und sagt 'Kommt, wir gehen zurück, wir haben alles verkackt'. Ist unsere Welt wirklich so scheiße? Genießen wir heutzutage nicht auch allerhand Vorzüge? Iain: Unser Leben in Deutschland beispielsweise ist gut. Wir müssen uns nicht davor fürchten, obdachlos zu werden. Wir haben genug Essen und Wasser. Ich war in vielen Ländern und Deutschland ist eins der besten Länder, um zu leben. Und wie sieht es mit dem Themen Religion und Glaubenskriegen etc. aus? Iain: Religion macht viele Menschen nicht unbedingt mündiger, nimmt ihnen schwierige Entscheidungen ab und vereinfacht ihr Leben in einer Art und Weise, die ich selbst nicht gut heißen kann. Jonas: Wir glauben an Metal. Na immerhin! 😉 Iain: Das Problem bei z.B. Terror-Organisationen ist, dass man dort ein paar Intelligente hat und dahinter einen Schwarm an Nichtdenkenden, deren Denkleistung von anderen Menschen erfüllt wurde. Die müssen dann selbst keine Entscheidungen treffen. Man sollte immer seine eigene Meinung haben. Das trifft bei Religion zu, siehe Islamischer Staat. Es trifft aber auch bei Nazis und bei überradikalisierten Linken zu. Jonas: Das ist das, was ich am Anfang meinte: Wir wünschen uns, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg geht und darauf scheißt, was andere darüber denken. Man sollte nicht den Massen oder irgendeinem Trend hinterherlaufen. Auch wenn Individualität eine Sache der Perspektive ist, vermissen die Jungs von DESASTERKIDS diese heutzutage in vielen Teilen der Gesellschaft und damit haben sie vollkommen recht. Iain: Auch bei vielen Bands ist das so. Wir wollten uns aus dem Fenster lehnen. Wir hätten es wie viele andere machen können, mit der Garantie, dass es gut ist. Wir haben aber versucht, was neues zu machen. Im Prinzip sind Iain und Jonas große Nu Metal-Fans und hören privat viel Slipknot, Korn, Limp Bizkit und Static X, um nur einige zu nennen. Der Einfluss auf dem Album kommt also nicht von irgendwo her. Jonas: Es ist uns aber egal, mit welchem Genre uns die Leute betiteln. Wir haben einfach Bock auf Metal und wollten etwas machen, das uns Spaß macht. Übrigens: die Desasterkinder sind in Berlin geboren, berlinern aber nicht. Tatsächlich berlinern dort weniger Leute als man denkt. Aber wofür steht eigentlich DESASTERKIDS? Iain: Andi [der Sänger] und ich haben damals mit dem Namen Kid herumgespielt. Dabei hatten wir einen kleinen Stressmacher mit einer Steinschleuder im Kopf. Wir wollten uns dann eigentlich Dangerkids nennen, aber die gab es schon. Jonas: Und irgendwann war dann der Name DESASTERKIDS da und hat sich richtig angefühlt. Iain: Und der Name ist der geilste Bandname der Welt. Wenn du den hörst, hat der vor allem kein Genre. Wir könnten Punkrock, Techno oder Indie machen. Einfach alles. Wir haben auf jeden Fall Lust, uns in weiteren Bereichen und Genres auszuprobieren. Dass die Jungs jedoch im Kern bei Metal bleiben, steht natürlich außer Frage. Jonas zufolge schlägt deren Herz jedenfalls schwarz. Nachdem wir das auch noch klargestellt hatten, sollte es mit Nudelsalat, Bier und Frisbee dann weiter an den Strand gehen. Als ich meinte, dass ich kein Bier mag, war das Gespräch dann auch zu Ende. 😉 Nein, es war natürlich sehr nett mit den Beiden. Ich kann wirklich jedem Genre-Interessierten das Debut-Album "030" empfehlen. Und bitte Leute: wenn es euch gefällt, dann kauft es! Und geht auf eine Show, denn die Fünf von DESASTERKIDS machen extra für euch intensiv Sport, um auf der Bühne alles geben zu können! (Photo courtesy of Redfield Records)