(Fat Wreck Chords/ Edel) Die Helden der Jugend werden auch älter, haben aber nichts von ihrem Enthusiasmus verloren. JOEY CAPE gehört in die Generation der Musiker, mit denen ich großgeworden bin, die mich Jahrzehnte meines Lebens begleitet haben und mir so unendlich viel gegeben haben. Wie sein leider viel zu früh verstorbener Buddy Tony Sly (No Use For A Name), hat auch JOEY CAPE relativ früh damit begonnen, seiner Kreativität solo Ausdruck zu verleihen, die er während seiner Hauptbeschäftigung Lagwagon nicht in diesem Ausmaß Herr werden konnte oder durfte. Das hervorstechendste bei Herrn CAPE ist seine unverwechselbare Stimme, die bei all seinen Projekten wie z.b. Bad Astronaut, ScorpiosJoey Cape's Bad Loud oder The Playing Favorites den Song an sich nach vorne drückt und mit dem ihm eigenen Timbre bewusst oder unterbewusst zu wunderbaren Unikaten im weiten Feld des PunkRock-Kosmos macht. Mit der Nennung des einmaligen Projekts The Playing Favorites schließt sich auch der Kreis zu "Stitch Puppy", da hier der Song 'Spill My Guts' eine Wiederauflage zuteil wird, die reduzierter dargeboten wird und durch die zurückgenommene Beteiligung von Chris Cresswell (The Flatliners) emotional hochwertig eine Wohlfühlgänsehaut beim Zuhörer erzeugt. Als weitere Unterstützung hat sich JOEY CAPE noch seine Kollegen Brian Wahlstrom (Scorpios) und Yotam Ben Horin (Useless ID) ins Boot geholt, die ihn mit sympathischer Zurückgenommenheit supporten. Im Zuge der nahenden Veröffentlichung über das Haus- und Hoflabel Fat Wreck Chords gibt es im Übrigen auch einen visuellen Eindruck zum Song 'This Life Is Strange' zu vermelden, in dem die "Stitch Puppy" eine wesentliche Rolle spielt - hier zu sehen: https://www.tape.tv/joey-cape/videos/this-life-is-strange/ Unglaublich melancholisch beginnt das Album mit 'Me The Witness', welches wie ein typisches LagWagon-Intro klingt, wo man erwartet, dass der Song jeden Moment explodiert und man mitgerissen wird. Allerdings wird die tieftraurige Grundstimmung bei dem Song mit einer angenehmen atmosphärischen Leichtigkeit verbunden, die den Eröffnungssong zu einem ersten Highlight wachsen lässt. 'Gone Baby Gone' zeigt wiederum, dass JOEY CAPE seine Stimme variabel einsetzen kann ohne auf Wiedererkennungswert zu verzichten. Toller, sentimentaler Track, der mit Pianounterstützung lange nachwirkt. Lagerfeuerromantik entsteht bei 'St. Mary's', den JOEY CAPE wundervoll zurückgenommen intoniert und auf der Klaviatur großer Gefühle spielt. Auch beim nachfolgenden 'Broken' merkt man, wie sehr man in der richtigen Stimmung für "Stitch Puppy" sein muss, da auch hier einen die leisen Töne gefangennehmen. Nur mit Klavierbegleitung wird hier in unter 2 Minuten mehr Emotion reingepackt, als in allen Filmschmonzetten Hollywoods zusammen. Photo courtesy of Fat Wreck Chords Da ich Fan bin, muss ich zugeben, dass ich wahrscheinlich weniger objektiv sein kann, als ein Zuhörer, der den Namen JOEY CAPE zuvor noch nicht kannte - "Stitch Puppy" überzeugt allerdings mit soviel Hingabe und Dringlichkeit, dass es egal ist, was Herr CAPE bisher gemacht hat. Die Kompositionen auf seinem zweiten regulären Soloalbum stimmen auf den Herbst ein mit der durchschimmernden Hoffnung, dass die Sonne weiterhin genug Kraft hat, um eine depressive Grundstimmung zu vermeiden. Auch wenn JOEY CAPE altertechnisch an der 50 kratzt, ist "Stitch Puppy" kein Album geworden, welches die Rente sichern soll und er sich entspannt zurücklehnt, sondern ein Statement, dass PunkRock auch mit Stilmitteln gelingt, die untypisch für das Genre sind. JOEY CAPE lebt so, wie wie es uns doch alle wünschen - keine Zwänge, das tun, worauf man Lust hat und Menschen daran teilhaben lassen, die es interessiert. Nicht mehr und vor allem nicht weniger ist "Stitch Puppy" - ein Album voller Hoffnung trotz schwierigen Zeiten und Trauerbewältigung. Ein Befreiungsschlag mit dem Anspruch auf eine positive Gestaltung der Zukunft. Familie, Freundschaften und Liebe sind die Grundpfeiler unseres Daseins und JOEY CAPE hat diese Eckdaten in Worte und Musik gepackt und schenkt uns "Stitch Puppy". Der wunderbare Abschluss 'Tracks' zeigt in knapp 6 Minuten, wie sehr Musik berühren kann ohne zu langweilen. Man fühlt sich fast verpflichtet, nach den letzten Tönen auf Repeat zu drücken und kommt diesem Pflichtbewusstsein gerne nach. Es wird immer noch Innovation geschrien, aber ein traditionelles Album wie es "Stitch Puppy" geworden ist, überzeugt mich mehr als irgendwelche Experimente, die aufgrund Druck oder mangelnder Kreativität in den Sand gesetzt werden. 5 Blitze für ein schönes, rundes Album. Album-VÖ: 04.09.2015 (Photo courtesy of Fat Wreck Chords)