(Four Music)
JOCHEN DISTELMEYER ist ein Phänomen auf seine eigene Weise. Nachdem er neuerdings auch als Schriftsteller durch die deutschen Lande zieht, ereilte ihn wohl das starke Bedürfnis, sich wieder der Musik widmend, ein Coveralbum aufzunehmen. Um dem ganzen Bestreben noch etwas Innovation zu verleihen, singt er zu den akustischen Stücken ausschließlich auf Englisch.
Selbstverständlich bietet dies eine absolute Steilvorlage für einen herben Verriss. Man könnte ganz genüsslich Lied für Lied bis in die kleinsten Fasern sezieren, um sich die feinsten Stücke heraus zu angeln und dann so lange in der Wunde zu stochern, bis jede einzelne an Skurrilität und Altrockertum kaum noch zu übertreffende Attitüde hilflos ihre müden Arme nach Gnade ausstreckt.
Doch vielleicht lohnt es sich kurz inne zu halten und etwas in die Tiefe zu gehen.
"Songs From The Bottom Vol.1" ist
JOCHEN DISTELMEYERs persönliches Haus am See. Sein Herzenswunsch, den man sich nur nach erfolgreichem Schaffen verwirklichen kann. Mit Lieblingsliedern eines semi-abgehalfterten Mannes, der alles erreicht und alles gelebt hat. Die Auswahl der Songs bezog sich dabei auf den textlichen Anspruch. Zufälligerweise gibt sich dabei ein Gassenhauer nach dem anderen die Klinke in die Hand.
Laut
DISTELMEYER ermutigte ihn das Publikum seiner Lesereise, aus den vorgetragenen Covern ein Album zu machen. Ob man die Schuld nun dem Publikum zuschieben sollte, ist fraglich. Die „Ich-Maschine“ soll sich mal schön selbst den Motivations-Schuh anziehen und nicht wie ein erwischtes Kind mit dem Finger auf die Anderen zeigen. Wenn er Bock drauf hat, soll er gefälligst auch dazu stehen.
Und den hatte er wohl ganz gewaltig. Fröhlich pfeift er die Melodie zu
'Bitter Sweet Symphony' von
The Verve vor sich hin, als würde er beschwingt an einem Sommertag durch die Felder hüpfen. Mit zart heller und glasklarer Stimme zwitschert er
'Video Games' von
Lana del Rey nach und schwelgt nachdenklich in alten Zeiten zu
Aviici's 'I Could Be The One'.
Überraschend ist, dass der Wortpoet fremde Texte ganz so klingen lässt, als seien sie aus der Feder des Meisters selbst. Er interpretiert die Lieder nicht neu, sondern die Songs adaptieren von selbst den
DISTELMEYER'schen Groove.
Aber das wohl größte Talent des einstigen
Blumfled-Frontman liegt in der Projektion einer gewissen Sehnsucht, die dem Publikum eine blumige heile Welt und Wiesen-Romantik in die Gedankengänge malt. Ganz nach dem
DISTELMEYER'schen Mantra
„Support your local Schmerz“ durchleidet, windet und kämpft er sich durch die Themen Liebe, Hoffnung und Trauer und suhlt sich noch ein bisschen länger darin als nötig.

Photo by Sven Sindt
Leider können diese guten Voraussetzungen
"Songs From The Bottom Vol.1" jedoch nicht vor Belanglosigkeit retten. Die erzeugte Lagerfeuerromantik des Albums bleibt trotz Authentizitätsgetue nur auf Sparflamme.
JOCHEN DISTELMEYER badet in der Illusion, das Vergangene funktioniere auch noch in der Gegenwart. Dass er sich selbst seiner Sache sicher zu sein scheint, zeigt die euphorische Betitelung
Vol.1.
Doch bei allem guten Willen die Existenz dieses Album zu akzeptieren, bleibt zu hoffen, dass es bei diesem einen Ausrutscher bleibt.
Album-VÖ: 12.02.2016