(Rise Records)
Wenn ich
ISSUES betrachte, drängt sich bei mir primär folgende Frage auf: Wie verdammt nochmal haben die in so kurzer Zeit einen solchen Bekanntheitsgrad und Stellenwert erreichen können? Ausverkaufte Arenen in den USA, dabei Support von und wohl bald auf einer Ebene mit
Bring Me The Horizon. Erst im Jahr 2012 als
Woe, Is Me-Abkömmling oder -Transformation, oder wie auch immer man es nennen mag, aus dem Ei geschlüpft, werden die Karten jedoch offensichtlich auf den Tisch gelegt:
ISSUES bedienen die Metalcore-Schiene mit einem fast endlosen Breakdown auf ihren Platten.
Tyler Carters Gesang reicht mittlerweile stark an den gereiften
Justin Bieber heran, dringt somit tief in die Teeniewelten voller R'n'B- und Pop-Lust. Dass die Hörer dann aber nicht an Langeweile und Monotonie erstarren, spicken
ISSUES den Mix mit einer gewissen Finesse, technischem Feingefühl und einer Menge Groove, vor allem durch effizient eingesetzte Electronics und dem mehr als versierten Gitarristen
AJ Rebollo.
Dabei gleich eins vorweg:
"Headspace", erschienen am 20.05.2016 via
Rise Records, suhlt sich in all diesen musikalischen Privilegien und wirkt teilweise übermächtig im Vergleich zu dem Einheitsbrei, der seit 2008 praktiziert wird. Versteht mich hier nicht falsch, vieles davon prägt bis heute mein musikalisches Interessensgebiet. Wie dem auch sei,
ISSUES ist wohl diejenige Übergruppe, die es am allerbesten vermag, ihre Songs so mit intelligenten Rhytmen und Gesangsmelodien zu füllen, dass es auf den ersten Gehörgang-Orgasmus nicht offensichtlich ist, dass sich viele Songs eigentlich ein und demselben Breakdown bedienen. Retourschiert wird das Ganze neben all den genannten Aspekten auch mit melancholischen Eindrücken, wie in
'Home Soon' oder
'Slow Me Down'. Wenn man dann auch noch nach
Meteora-Linkin Park, wie zu Beginn von
'Flojo', oder nach
Northlane, wie eben zu Ende von
'Slow Me Down' klingt, darf niemand bestreiten, dass
ISSUES hier versucht haben, ihren individuellen Sound zur Perfektion zu treiben. Und wenn dann in
'Someone Who Does' auch noch
Tyler Carter beginnt sich dem Sprechgesang zu widmen und
Michael Bohn sich am Cleangesang versucht, weiß jeder, dass die Transformation nahezu vollendet ist.

Photo courtesy of Rise Records
Zerschmetternde Passagen (
'Blue Wall'), soulige, groovige (
'Hero') und explosive Refrains (
'Someone Who Does' und
'Coma'), Elektro-Gefidel, Emotionen (
'Slow Me Down'), Rafinesse (
'The Realest'), Harmonie und vor allem Spaß (
'Yung & Dum'). Passend zum Sommer. Mit all dem geizt
"Headspace" keinesfalls. Von der hervorragenden Produktion seitens
Kris Crumett möchte ich gar nicht erst anfangen. Und wenn am Ende des Tages dann auch meine Freundin sagt, dass es ihr gefällt, weil es einzigartig und besonders um die Ecke schaut (man bedenke, Schreimusik ist nun wirklich nicht im Entferntesten etwas für sie), dann bedeutet das nur eins:
ISSUES sind an der Weltspitze angekommen. Und dabei scheint das Ziel noch nicht erreicht. Doch bis dahin trägt mich
"Headspace" wahrscheinlich ohne musikalische Beihilfe von ganz alleine durch den Sommer.
Album-VÖ: 20.05.2016