(Suicidal Records/ Soulfood Music) Fast 35 Jahre Cyco-Army. Als einzige Konstante natürlich Mastermind Mike Muir. SUICIDAL TENDENCIES veröffentlichen dieser Tage das mittlerweile 12. Studioalbum. "World Gone Mad" überrascht neben den musikalischen Show-Werten auch mit einer sensationellen personellen Neubesetzung - niemand Geringeres als Dave Lombardo (Ex-Slayer) nimmt hinter der Schießbude Platz und verpasst SUICIDAL TENDENCIES eine stabil massive Rhythmus-Grundlage. Wenn es eine Band gibt, die ihre eigene Genre-Bezeichnung verdient hat, dann wohl SUICIDAL TENDENCIES, die mit ihrem Crossover-Trash ganze Generationen von Musikern und Skatern beeinflusst haben. Trash, Metal, Punk und HardCore sind die Grundpfeiler einer ST-Platte, eher selten gewürzt mit leichtem Pop-Appeal, manchmal lugen auch Hardrock/HeavyRock-Elemente um die Ecke (v.a. beim unterbewerteten Album "The Art Of Rebellion" von 1992). Nach dem "Comeback-Album" "Freedumb" (1999) folgen in schöner Regelmäßigkeit neue ST-Werke und jedesmal überraschen die Mannen um Cyco Miko mit frischen Ideen, die in den typischen Sound eingeflochten werden. 'Clap Like Ozzy' eröffnet den bunten Reigen mit einem HardCore-Punk Song, der sich in ausufernden Solis fast verliert, aber trotzdem einem roten Faden stringent folgt. Lombardo kloppt in die Felle, als wenn es kein Morgen mehr gäbe und der einzigartige Slap-Bass pumpt ebenfalls gut nach vorne. Muirs Art den pubertär klingenden Jungen in Verbindung mit wütenden Gebell gesangstechnisch zu verbinden ist einzigartig und auf jedem Track des Albums variantenreich umgesetzt. Mir stellen sich regelmäßig die Härchen auf dem Arm auf, wenn Mike Muir mit seinem leicht melancholischen Gesang beginnt, um punktgenau auf Aggressivität umzuschalten. Wenn bei 'The New Degeneration' nach zweieinhalb Minuten das Tempo massiv anzieht und das Schlagzeug losgaloppiert, wird ein bis dahin langweiliger Song aufgrund der Geschwindigkeit zu einer Trash-Granate allererster Güte. 'Living For Life' ist ein starker PunkRock-Song mit Metal-Unterbau, der auch dem Schlagzeugspiel von Herrn Lombardo genügend Freiräume schafft. 'Get Your Fight On!' überzeugt mit einem feinem Midtempo-Intro, um dann wieder aufzudrehen. Die allgegenwärtigen Solis werden wie selbstverständlich eingeflochten und machen sicherlich etliche Bands neidisch, ob der Virtuosität, die scheinbar locker aus dem Handgelenk geschüttelt werden. Der etwas schunkelhaftige Titeltrack hat einen minimalen Funk-Anteil, kann sich aber nicht so richtig entfalten, da er irgendwie nicht fertig gedacht wirkt. 'World Gone Mad' stört etwas den Fluss des Albums, welches bisher konzeptionell wie aus einem Guss gewirkt hat. Auch das nachfolgende 'Happy Never After' könnte man als Füllmaterial durchwinken - es sind zwar dieselben Stilmittel zu hören, wie in den Songs zuvor, leider findet aber kein notwendiger Höhepunkt in Form eines außergewöhnlichen Refrains o.ä. statt. Und wenn dann wiederum nach kurzem Break alles doppelt so schnell gezockt wird, ist der Überraschungseffekt auch dahin, weil.....schon mehrmals praktiziert und deshalb überflüssig. 'One Finger Salute' versöhnt aber auf ganzer Linie wieder. Ein einziger musikalischer O(h)rgasmus, der über die komplette Laufzeit von über 5 Minuten anhält und mit einer mächtigen Gitarrenwand, perfekten Rhythmuswechseln und einem 53-jährigen Sänger überzeugt, der es versteht einen zu packen und mitzureissen. Die ungewollte Umgestaltung meines Wohnzimmers (inkl. Sperrabfall-Auftrag als Bonus) habe ich diesem Track zu verdanken. 🙂 'Damage Control' ist für den kleinen Snack zwischendurch geeignet, 'The Struggle Is Real' schliesst sich dem an und ist ein gutes Beispiel wie Punk, Hardcore und Metalsolis miteinander harmonieren können. Die Überleitung zu 'Still Dying To Live' ist somit gut gelungen und bereitet auf das ruhige, teils funkige Kernstück (?) vor, welches einen zwei-minütigen Blast-Teil eingebaut hat und sämtliche Hörgewohnheiten sprengen möchte. Wenn man SUICIDAL TENDENCIES allerdings jemals bewusst verfolgt hat, ist der Knalleffekt eher gering.
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Suicidal Tendencies Photo courtesy of Oktober Promotion

Mit 'This World' endet "World Gone Mad" ziemlich unspektakulär. Mit Akustik-Gitarren und zahmen Gesang kommt die wohlverdiente Verschnaufpause zum Ende, wobei der Spannungsbogen auch hier wieder angezogen wird, um nicht gänzlich leise abzutreten. SUICIDAL TENDENCIES zeigen mit "World Gone Mad" wo der Frosch die Locken hat und werden ihrem Style wieder einmal gerecht. Überraschungen sind rar gesät, aber wer im Prinzip seine eigene Referenz ist, darf auch machen was er will. Auch wenn es oft das Gleiche ist. Album-VÖ: 30.09.2016 4.5-Blitz