(Nuclear Blast/ Warner) Um mal gleich die Verhältnisse gerade zu rücken: Ich bin kein ausgewiesener Metal/Thrash-Experte. Der Name TESTAMENT ist aber selbst mir geläufig, da ich zeitweise Phasen in meinem Leben habe, wo ich abseits des mir bekannten Terrains "wildere" und mich an nicht favorisierte Genres herantraue, um neuen Input zu bekommen. Deswegen ist es für mich persönlich auch immer wieder spannend, wenn ich Rezensionen schreiben darf, die über meinen PunkRock-Horizont hinausgehen. 🙂 TESTAMENT habe ich zum ersten Mal mit ihrem 1990er Album "Souls Of Black" kennenlernen dürfen (damals als Kassette, geordert beim Mailorder Disc-Center für einen schmalen Taler) und seitdem immer mal wieder Songs oder Alben gehört. Als 2008 das Quasi-Comeback "The Formation Of Damnation" herauskam, hatte ich die Jungs um Mastermind Chuck Billy wieder auf dem Schirm und verfolge seitdem deren Tätigkeiten. Ich war nie Fan dieser Spielart des Metal, TESTAMENT haben mich dennoch immer fasziniert und meist überzeugt. Sie gehörten nie zu den "Big Four", haben aber mehr Qualität als Anthrax oder Megadeth. Und sind mir definitiv sympathischer als Slayer und Metallica. Nach dem obligatorischen vier Jahren Wartezeit gibt es nun also "The Brotherhood Of Snake" zu erwerben. Das Ganze ist, wie so oft, ein Konzeptalbum. Um das übergreifende Thema zu verstehen, bitte ich darum, selbst zu googlen. Ich möchte mich auf den musikalischen Eindruck begrenzen, da ich Konzeptalben per se albern und überbewertet finde. Mit dem Titeltrack geht`s auch gleich in die Vollen - ohne Intro-Gedöns ballert 'The Brotherhood Of Snake' massiv los und in einem Song mehr Abwechslung als andere Bands auf dem ganzen Album. Da kann schnell zu Überforderung führen - wenn die einzelnen Elemente alledings so perfekt ineinander greifen, merkt man die Eingespieltheit der Band, die mittlerweile wieder drei Gründungsmitglieder aufzuweisen hat. Bei 'Pale King' überzeugt der straighte Songaufbau, der im Mittelteil durch ein kleines Spoken-Word spannend gehalten wir, um dann Alex Skolnick Raum zu geben, damit er seine Fähigkeiten an der Gitarre präsentieren kann. Etwas abruptes Ende, was das nachfolgende 'Stronghold' aber sofort wettmacht. Hier ist Up-Tempo-Thrash das Motto der Stunde, der durch großartiges Axt-Spiel auf ein höheres Level gehoben wird. Starke Dynamik, die sich nach und nach entfaltet. TESTAMENT neigen meist nicht zu überflüssigen Ausschweifungen, sondern kommen relativ schnell zum Punkt. 'Seven Seas' wirkt dagegen künstlich in die Länge gezogen und hätte durch eine Straffung das Zeug zu einem wahren Hit, da der Chorus auf Eingängigkeit setzt, ohne Authentizität zu verlieren. 'Born In A Rut' hat wiederum fast einen progressiven Motörhead-Ansatz, der das Händchen für melodiöse Aggressivität (ohne brutal zu sein) perfekt in Szene setzt. Um dem Thrash-Fan Freudestränen die Wange herunterlaufen zu lassen ist 'Centuries Of Suffering' bestens geeignet. Ziemlich mittig auf "Brotherhood Of The Snake" platziert, zeigen TESTAMENT, dass sie trotz mittleren Alters, den jugendlichen Wahnsinn im Herzen tragen. Das etwas klischeebehaftete Gegniedel und die unkreativen Wiederholungen in Wort und Musik macht 'Black Jack' leider zum bisher langweiligsten Stück und wirkt im bisherigen Kontext unpassend. Mit 'Neptun's Spear' und 'Canna-Business' folgt zwar der nächste Doppel-Punch, aber die Aufmerksamkeitsspanne kann für ungeübte Hörer anfangen zu schwanken, da sich strukturell kaum noch Nuancen ausmachen lassen - auch der letzte Song 'The Number Game' schlägt in die gleiche Kerbe.
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Testament Photo by Gene Ambo

Es wird perfekter Thrash-Metal geboten, der den Fan überzeugt, aber wahrscheinlich Probleme haben wird, sich neue Gruppen zu erschliessen. Einzeln betrachtet sind die Kompositionen im letzten Drittel der Scheibe sicherlich stimmig und ohne Makel, nur fehlt das spezielle Etwas, was die erste Hälfte von "Brotherhood Of The Snake" so interessant gemacht hat. Alles im allem ist das neueste Werk von TESTAMENT ein meisterliches Thrash-Feuerwerk, welches für mich das beste Metal-Album in diesem Jahr darstellt. Aufgrund dessen bekommt "Brotherhood Of The Snake" eine überdurchschnittlche Bewertung. Wenn mehr Alben des Genres so spannend arrangiert wären, könnte ich sogar öfter Gefallen daran finden. Album-VÖ: 28.10.2016 5-Blitz