(Massacre/Soulfood)

Über zwei Jahrzehnte ist es nun her, dass die Thüringer Extrem-Metaller EISREGEN das musikalische Licht der Welt erblickten. Seitdem ist viel passiert. Seien es wechselnde Bandmitglieder, elf Alben, häufige Kontroversen über deren Inhalt und Verbannungen auf den Index (z.B. das großartige "Krebskolonie"). Langweilig wurde es rund um EISREGEN eher selten.

Dabei provozierten sie regelmäßig mit rohen, brutalen und den Abgründen der menschlichen Seele zugewandten Texten, hervorgebracht durch die extrem kehlige Stimme der Band, Tim "Blutkehle" Roth. Dabei behielten sie immer einen ganz eigenen Sound bei, inklusive Bratsche und einer leicht trashigen Note. So war es nur eine Frage der Zeit, dass gemäß persönlicher Neigung nun mit "Fleischfilm" das erste Konzeptalbum der Band erscheint, welches sich voll und ganz den kultigen (und teils ebenso trashigen) Italo-Splatter-Kannibalen-Gangster Filmen der 70er und 80er Jahre zuwendet. Meister des Genres wie Fulci, Argento oder Deodato untermalten ihre Werke häufig mit einem höchst prägnantem Synthiesound, so ist es keine große Überraschung, dass jener auch den Reigen in Form von 'Drei Mütter' eröffnet. Der Song wird ein ungewohnt straighter Rocksong, der nach zwei Minuten ohne Ecken und Kanten wieder endet und auf einen guten Verlauf hoffen lässt.

'Hauch des Todes' trägt den Hörer nach kurzem Intro sofort mit, ist eingängig und hat einen fast schon zum Schunkeln motivierenden cleanen Refrain. Danach entscheidet man sich, zunächst loszuknüppeln und dann kurzfristig den Vorhang zu schließen, um Akt 2 einzuleiten. 'Jenseits der Dunkelheit' birgt nämlich den ein oder anderen Stimmungswechsel und scheint die Idee von filmischer Hommage unterstreichen zu wollen. Der tödliche Ausflug eines Filmteams in ein Kannibalendorf erzählt die Geschichte des Underground-Klassikers Cannibal Holocaust und ist eher als musikalische Erzählung zu sehen. Benannt ist der Song nach dem Bösewicht des Streifens, 'Die letzte Reise des Alan Yates'. Das blutige 'Auf den Spuren der Säge' weist groovige Gitarrenparts auf und ist ein sehr stimmiger Song der Scheibe. Eher balladesk erscheint 'Tiefrot' und kommt irgendwie nicht so richtig an. Danach finden die Thüringer eine ganze Weile zunächst zu gut gelaunten Melodien. Seien es 'Nahe der Friedhofsmauer' (Refrain), 'Menschenfresser' (Intro) oder der komplett synthielastige Ganoventribut 'Syndikat des Schreckens', hier darf das Tanzbein geschwungen werden. Diese Mischung aus Trash-Atmosphäre, Schunkelmelodeien und gurgelnder Horrorszenarien lässt den Hörer war schmunzelnd, aber auch ein wenig ratlos zurück. So gilt es nun also nur noch mit 'Im Blutrausch' im Walzertakt die Bühne zu verlassen, bis nichts anderes als die Flöten- und Kastgnettenklänge der Westernnummer 'Satan der Rache' im Raum verhallen... was der zunehmenden Verwirrung nicht abträglich ist.

Photo courtesy of Massacre Records

EISREGEN haben es meiner Meinung nach geschafft, ihren Italo-Genreperlen Respekt zu erweisen. Jedoch geschieht dies auf Kosten eines schlüssigen Gesamtwerks. Trash, Blut und skurril-morbider Humor waren schon immer Bestandteil von EISREGEN und dieser Pfad wird auch nicht verlassen. "Fleischfilm" wirkt aber häufig musikalisch etwas sperrig und die Kunst bei diesem Angehen besteht darin, hochwertigen Trash zu produzieren, der seine Hörer in seinen Bann zieht. Dies ist an einigen Stellen gut gelungen, an anderen wieder weniger. Sicher ist aber wohl eines: "Fleischfilm" wird nicht der letzte "Streifen" von Roth und seinen Schergen sein. Eine Fortsetzung scheint gewiss.

Album-VÖ: 05.05.2017