(Napalm Records/Universal Music)

Die junge Darmstädter Band 8KIDS  schnappte sich letztes Jahr einen Plattendeal mit Napalm Records und veröffentlichte auch direkt eine erste EP namens "Dämonen". Diese zeigte schon gut, in welchem Stil die drei jungen Leute Musik machen. Betitelt wird das Ganze als deutschsprachiger Post-Hardcore, aber ganz bewusst auch als harte Pop-Musik und das trifft es vielleicht sogar noch besser. Nun ist mit "Denen die wir waren" das erste Album am Start, mit dem die Band natürlich groß durchstarten will.

Das 'Intro' ist genau das, was der Titel verspricht, nicht mehr und nicht weniger. Also widmen wir uns gleich lieber dem ersten richtigen Stück namens 'Bordsteinrand'. Dort wird dann auch sofort drauf los geschrien. Außer den Screams erinnert das alles zu Anfang aber sehr an typische deutsche Popmusik. Gitarre, Bass und Schlagzeug bleiben durchgehend eher auf mildem Niveau und so ist es hauptsächlich der Gesang, welcher überhaupt ein bisschen Post-Hardcore-Atmosphäre aufkommen lässt. Am Ende wird die Gitarre etwas prägnanter, aber insgesamt noch nicht ganz das, was ich mir bei der Beschreibung vorgestellt habe. Bei 'Über den Berg' kommt dann der rockige Aspekt gleich etwas besser zur Geltung und im Refrain erinnert es dann auch wirklich an Rockmusik. Es ist natürlich auch wieder sehr eingängig, wenn auch der letzte Funke nicht so ganz überspringen will. 'Ich kann die Welt spüren' erinnert schon sehr an Jupiter Jones und kommt wieder sehr massentauglich daher. Insgesamt könnten die Sänger auch vielleicht mal ein bisschen mit ihren Stimmen variieren, die Texte sind zwar alle sehr dramatisch, aber das muss man ja nun nicht immer durch reines Screaming unterstützen. So nutzt sich das Lied auf über fünf Minuten doch recht schnell ab. Sehr vielversprechend startet 'In den Sternen' und gerade der Refrain ist auch sehr gelungen, aber die Strophen finde ich sehr gewöhnungsbedürftig. Irgendwie passt die Art des Gesangs kaum zur Melodie und es will sich einfach nicht homogen mit dem instrumentalen Teil verbinden. Wie gesagt, der Refrain ist trotzdem gelungen. 'Zeit' ist eine Ballade und trotzdem wird durchgängig geschrieen, was das Stimmband hergibt. Das soll wohl der Stil von 8KIDS sein und ohne diesen wäre es wohl auch ein 08/15-Song aus der deutschen Radiolandschaft. Aber irgendwie erschließt sich mir das Ganze nicht, vor allem da die Art des Gesangs sogar irgendwie im krassen Gegensatz zum Liedtext steht. Die Mischung geht hier für mich einfach nicht auf.

Also bei dem Liedtitel 'Zerbrechen' werde ich sofort hellhörig und schraube meine Erwartungen nach oben, wird nun zum ersten Mal richtig gerockt und die Pop-Attitüde begraben? Ja, ja und nochmal ja! Das Teil hier rockt ohne Kompromisse, hat mit Pop so gar nichts am Hut und ist so richtig aggressiv eingespielt, dass das Schlagzeug endlich mal ordentlich bearbeitet werden darf. Ein sehr kurzes, aber umso schöneres Vergnügen. Nun aber wieder zurück zum Gewohnten und dem 'Blitzeinschlag', allerdings passt hier der Gesang sehr gut zum kompletten Stil und so entsteht ein überzeugendes Ganzes. Das liegt vor allem daran, wie energetisch das Stück an sich ist. Poppiger denn je wird es mit 'Geist', allerdings begeht man diesmal nicht den Fehler und ist im Scream-Modus beim Refrain, sondern er wird größtenteils in Clean-Vocals eingesungen. Dadurch ist es vielleicht der massentauglichste Song des Albums, aber immerhin ein sehr schöner, den man sich ruhig öfter anhören kann. Leider kann ich das über 'Kamintrophäe' nicht sagen, melodisch hat es ein paar schöne Versatzstücke, insgesamt ist mir das Ganze aber zu generisch. 'Kann mich jemand hören' birgt leider auch zu wenig Überraschungen, obwohl es sich schon etwas vom Rest des Albums abhebt. Es entfernt sich in meinen Augen aber zu weit von Rockmusik und biedert sich zu sehr der Popmusik an. Zum Glück gefällt mir 'Vis-à-vis' richtig gut, weil es wieder mehr Pepp mit sich bringt und mich daran erinnert, dass die Musik hier auch als deutschsprachiger Post-Hardcore beworben wurde. Und mit 'Winter in Dir' ist es dann auch ein echt starkes Stück Musik, welches uns aus dem Album wirft. Es ist vom Stil her erfrischend und der weibliche Gesang lockert das alles sehr gut auf.

Photo by Mischa Lorenz

Irgendwie bin ich mir noch nicht ganz sicher, was ich von "Denen die wir waren" halten soll. Bei der Ankündigung des Albums war ich gleich Feuer und Flamme für die Idee, deutschsprachigen Post-Hardcore zu hören. Das spricht nämlich für gute Melodien, mal aggressivere Instrumentalteile und sehr emotionale Texte. Die Texte sind auch wirklich gelungen, aber aggressiv wird man nur selten und die Melodien sind oft nach dem immer wieder selben Muster erzeugt. Insgesamt fehlt es deutlich an Abwechslung. Der Knüller 'Zerbrechen' ist in der Mitte genau richtig plaziert und hätte ein Wendepunkt sein können. Aber auch danach erinnert alles zu oft an radiotauglichen Pop. Außerdem fehlt es den Jungs (und dem Mädel) auch etwas an Abwechslung. Da sie fast alle Lieder gleich einsingen, wird es auf Dauer einfach zu monoton. Trotzdem ist es sicherlich kein schlechtes Album, sondern ein solider Erstling, von dem ich mir persönlich einfach nur mehr erwartet habe. Die Art der Musik wird aber sicherlich polarisieren, die einen werden es hassen und die anderen lieben. Ich setze mich deswegen ganz solidarisch in die Mitte, mit klarer Tendenz nach oben.

Album-VÖ: 26.05.2017