(Rise Records/ BMG)

Dass SILVERSTEIN unproduktiv seien, kann man dem Quintett wahrlich nicht vorwerfen - seit Gründung der Band im Jahr 2000 erscheint im schönen Zwei-Jahres-Rhythmus ein neues Album - somit ist "Dead Reflection" auch schon Nr. 9 in der langen Diskographie und das zweite auf Rise Records (die gefühlt jede Band im Punkrock/Hardcore signen - aktuell The Movielife!).

Der Stil von SILVERSTEIN hat sich über die Jahre auch nicht verändert, sondern wurde bis in kleinste Detail perfektioniert - was als Screamo-Band unter vielen begonnen hat, hat sich nun als Referenz etabliert.

Welche Überraschung hat aber nun "Dead Reflection" zu bieten? Gibt es überhaupt Überraschungen oder wird der Standard auf hohem Niveau gehalten? Wenden sich SILVERSTEIN dem Punkrock zu oder schimmert mehr der Hardcore durch? Können sie sich überhaupt aus ihrer Komfortzone herauswagen? Fragen über Fragen....Antworten folgen.

Es ist immer wieder beeindruckend, wie Frontmann Shane Told Geshoute und glockenhellen Gesang miteinander verweben kann, ohne das es aufgesetzt oder gepresst klingt. 'Last Looks' und 'Retrograd' zeigen SILVERSTEIN in ihrem Element - wunderschöne PopPunk-Melodien, die mit Unterstützung der aggressiven Parts wie das erwähnte Gebrüll oder Breakdown-Tendenzen, eine Eigendynamik heraufbeschwören, wie es eigentlich nur noch A Day To Remember gelingt.

Der dritte Song 'Lost Positives' zuckt etwas zurück und lässt die Komposition eher fliessen - das ist emotionaler Stadionrock par excellence - der Refrain breitet sich großflächig aus und umarmt alle, die sich in der Nähe aufhalten.

Während das schon im Vorfeld veröffentlichte 'Ghost' wieder im typischen SILVERSTEIN-Sound-Garten wildert, packt das nachfolgende 'Aquamarine' sofort zu und verblüfft dadurch, dass eigentlich nichts anders gemacht als sonst, aber der Song sich sofort durch die Großhirnrinde frisst und sich in dem Sektor des Gehirns festsetzt, der für Ohrwürmer zuständig ist.

'Mirror Box' fängt als Ballade an, um sich zum Ende als Verzweiflungs-Hardcore zu offenbaren. Das Ganze ist schlüssig inszeniert und zeigt, dass sich SILVERSTEIN ausprobieren wollen, ohne ihre Fans vor den Kopf zu stoßen. Zwischendurch gibt es einen lupenreinen Punkrock-Song, der sich 'The Afterglow' nennt und straight durchzieht. Davon hätten sich New Found Glory mal eine Scheibe abschneiden sollen.

'Cut And Run' und 'Secret's Safe' im Anschluss beschließen das Dreigestirn aus Songs, die ohne Geshoute auskommen und trotzdem eine Energie transportieren, die selbst manchen Death-Metal-Bands abgeht. Danach geht es in "normale" SILVERSTEIN-Gefilde zurück und der geneigte Fan, kann sich bei 'Whiplash' verausgaben.

Den Schlusspunkt setzt dann 'Wake Up', der wieder untypisch strukturiert ist und gerade deswegen die Spannungskurve bis zum Ende aufrechterhalten kann. "Dead Reflection" ist spannender gestaltet als das Vorgängeralbum "I Am Alive In Everything I Touch" und macht enorm Spass.

Silverstein_Photo_by_Wyatt_Clough

Silverstein Photo by Wyatt Clough

SILVERSTEIN variieren in Nuancen ihren Stil ohne sich selbst zu verraten. "Dead Reflection" dürfte alle Menschen zufriedenstellen, die den Fünfer aus Burlington, Ontario schon von Beginn an feiern. Zudem könnte das aktuelle Album auch eine nachwachsende Generation überzeugen, die eigentlich gar nicht wissen, dass die Verbindung zwischen Hardcore und PopPunk-Affinität so perfekt möglich ist.

Überraschend gutes und kreatives Album, welches eine hohe Bewertung verdient hat - hätte ich selbst nicht gedacht, als die Vorankündigung und die erste Single-Auskopplung publik wurde.

Album-VÖ: 14.07.2017