(Rise Records/BMG)
2017 ist das Jahr der Punkrock-Überraschungen - nicht nur, dass Hot Water Music und The Movielife neue Alben angekündigt haben oder 88 Fingers Louie ein verdammt überzeugendes Comeback vorgelegt haben - nein, jetzt lässt sich auch der "Godfather of PopPunk" John Feldman nicht lumpen und veröffentlicht nach 9 Jahren ein neues GOLDFINGER-Werk.
Neben seiner unfassbaren Vita als Produzent und Songschreiber (u.a. Blink 182, Biffy Clyro, 311, Stick To Your Guns, Beartooth etc.) ist er zudem weltbekannt als Tierrechts-Kämpfer und natürlich als Frontmann der Ska-/Punker GOLDFINGER - quasi sein Baby, welches er in unterschiedlichen Konstellationen am Leben erhält.
Auf dem aktuellen Album "The Knife" hat er sich Musiker-Prominenz ins Boot geholt - mit dabei sind Philip Sneed (Story Of The Year), Mike Herrera (MXPX) und Travis Barker (Blink 182). John Feldman hat natürlich selbst die Produktions-Knöpfe bedient und damit sein Trademark-Sound etabliert.
Gleich im Opener 'A Million Miles' drehen GOLDFINGER mächtig auf und klingen wie eine feinpolierte Blink-182-California-Version - drückt gut nach vorne, hat eine mächtige Melodie, die ihren Höhepunkt im perfekt getimten Refrain erfährt und nach zwei Minuten den Standpunkt klar gemacht hat. Die älteren Herren wollen es nochmal wissen!
Im Anschluss wird auch gleich das zweite Steckenpferd präsentiert - es skanken zum Anfang wunderschöne Bläser, der Song öffnet sich zu einem straighten Punkrocker, um dann wieder mit einem fantastischen Refrain um die Ecke zu kommen. Spätestens mit 'Get What I Need' müssten die Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke schießen.
Das Projekt "druckvolle Blink 182-Kopie" wird mit 'Am I Deaf' auf die Spitze getrieben - selbst der Gesangsstil ähnelt sich so frappierend, dass man schon die Ohren eines Luchses besitzen müsste, um Unterschiede heraus zu filtern - vielleicht hätte Herr Feldman etwas Live-Atmosphäre schaffen müssen und darauf verzichten sollen, alle technischen Möglichkeiten seines Studios auszuschöpfen. 'Am I Deaf' ist beileibe kein schlechter Song - wieder überzeugen die Background-Chöre, die den Song eine positive Richtung mitgeben und der im Wust der millionenfachen PopPunk-Produktionen definitiv hervorsticht - allerdings verstört mich diese soundtechnische 1:1-Kopie etwas.
Für den Hangover-Morgen nach einer durchzechten Nacht bietet sich der entspannte Reggae-Schunkler 'Tijuana Sunrise' an, der aber nicht lange vorhält, da kurz darauf schon erneut losgeholzt wird ('Put The Knife Away'). Dann doch eher 'Don't Let Me Go', der den Pop für sich entdeckt und im Formatradio wahrscheinlich nicht groß auffallen würde. Wenn die Kopfschmerzen dann vertrieben sind, man sich das nächste Bier gekrallt hat und bei 'Beacon' anfängt zu hüpfen, ist die Welt wieder in Ordnung.
Und so sollte man das GOLDFINGER-Album auch betrachten - nicht ernsthaft versuchen, einen Anspruch herauszufiltern oder patentwürdige Innovationen suchen, sondern "The Knife" als das nehmen, was es sein möchte - ein Partytrip, der die besten Genres in sich vereint, um Spass zu haben. Poppiger Punkrock ('Orthodontist Girl', 'Milla') und vor allem in der zweiten Hälfte des Albums, skapunkige Less Than Jake-Referenzen ('Say It Out Loud', 'Who's Laughing Now' oder 'See You Around').

Goldfinger Photo by Lindsey Byrnes
"The Knife" ist ein schickes Sommeralbum, welches verdammt viel Spass macht und dem man nichts Schlechtes nachsagen lassen kann. Nur ist GOLDFINGER aktuell mehr ein Projekt als richtige Band und Mastermind John Feldman muss höllisch aufpassen, dass sein "Baby" nicht zu einer Karikatur verkommt.
Aufgrund der hohen Hitdichte der Songs, die nach dem ersten Hören sofort hängen bleiben und die zum cruisen genauso taugen wie zum chillen im Stadtpark, fällt die Wertung überdurchschnittlich aus.
Album-VÖ: 21.07.2017