(Pure Noise Records/ Soulfood)

BOSTON MANOR sind seit 2013 aktiv und haben vor knapp zwei Jahren mit ihrem Debütalbum "Be Nothing" frischen Wind in die englische Pop-Punk-Szene gebracht, die bis dahin mit nach vorne kloppenden Sounds und einer angstbefreiten Attitüde den Brüdern im Geiste auf der anderen Seite des Atlantiks den Rang abgelaufen haben (Beispiele: Trash Boat, Knuckle Puck, Neck Deep). Die Jungs aus Blackpool haben sich der ernsteren Seite gewidmet, was durch die Texte offensichtlich wurde - ebenso wie es musikalisch etwas komplexer gestaltet wurde. Neben dem obligatorischen Punkrock-Attacken, wurde Verzweiflungs-Hardcore und vereinzelte Post-Rock-Elemente eingeflochten, was "Be Nothing" sehr spannend zum Hören machte.

Mit "Welcome To My Neighbourhood" erscheint nun Werk Nummero 2 und BOSTON MANOR haben den eigenen Anspruch an sich und Ihr Tun nochmals eine Stufe höher gelegt. Einst war Blackpool Wirtschaftswunder und Vorzeigestadt in England, was v.a. in den Sommermonaten bemerkbar war, weil die Stadt an der Küste ein beliebter Urlaubsort war. Heutzutage regieren Drogensucht und eine massiv erhöhte Arbeitslosigkeit. Beeinflusst vom sozialen Niedergang ihres Heimatortes ist die aktuelle Platte entstanden und man spürt die Verzweiflung und Traurigkeit, wobei ein klitzekleiner Hoffnungsschimmer immer über allem schwebt. Nichts ist verloren, die positive Grundstimmung muss nur erstmal wiedergefunden werden, könnte der Grundtenor lauten.

Und genau dieses Gefühl wird von BOSTON MANOR perfekt eingefangen und transportiert. Mit dem melancholischen Titeltrack startet das Album. Sehr nachdenklich, fast schon sphärisch. Erinnert mich sogar etwas an die New-Wave-Popper von Hurts. Übergeleitet in 'Flowers In Your Dustbin', welches im völligen Gegensatz steht, da hier erste Hardcore-Klänge ertönen, die von einem postrockigen Sound untermalt sind. Die erste Singelauskopplung 'Halo' folgt und liefert den ersten "Hit" ab. Dick produziert, eingängig und vom Klang so ähnlich wie ältere Thirty Seconds To Mars. Somit beweisen BOSTON MANOR schon bei der Eröffnung des Albums hohen Abwechslungsreichtum und mehr Kreativität als manch andere Band in ihrer ganzen Karriere. Man muss sich nur darauf einlassen können, da man nicht die erwarteten Pop-Punk-Tunes um die Ohren geschossen bekommt, sondern sich in das Album reinfühlen muss, um die Schönheiten zu extrahieren.

Referenzen sind ja immer gerne genommen, damit der potentielle Hörer in etwa einordnen kann, in welche Richtung sich die Kompositionen entwickeln. Hier gibt es Alexisonfire ('Bad Machine'), dort Funeral For A Friend ('Hate You') oder meinetwegen Boysetsfire ('If I Can't Have It No One Can') - nur der klassische Pop-Punk wurde diesmal komplett außen vor gelassen, was die Platte aber ernsthafter und authentischer klingen lässt. Das steht BOSTON MANOR verdammt gut.

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Boston Manor Photo courtesy of Pure Noise Records

"Welcome To My Neighbourhood" ist ein erwachsenes Album, welches einen kompakten Post-Core-Sound auffährt, der so einen Sog erzeugt, dass man vor Erstaunen fast vergisst, dass hier BOSTON MANOR am Werk sind. Überraschend, zupackend, voller Energie! Die vorliegende Platte kann vollends überzeugen und sollte von vielen Leuten gehört werden.

Album-VÖ: 07.09.2018