Fragesteller: Carsten

Antwortgeber: Raimund Ennenga, vocals; Carsten Schorn, bass

Das Capitol in Hannover ist der 7te Stop der aktuellen Tour von Amorphis. Mit im Gepäck haben sie NAILED TO OBSCURITY, die frisch bei Nuclear Blast eingestiegen sind und auch mit einem neuen Silberling aufwarten können. Grund genug, die Jungs zu ein Interview zu bitten. Sänger Raimund und Basser Carsten haben sich die Zeit, genommen, ein paar Fragen zu beantworten. Die Tour läuft überaus gut, viele Venues verzeichnen den ‚Sold out‘ Status. So auch das Capitol an diesem Abend. Daher bin ich froh, dass wir kurz vor dem Konzertabend die Möglichkeit bekommen, mit der Band zu sprechen.

Wie ist das Tourleben bisher?

Es fühlt sich gut an. Es ist für uns ja nicht die totale Premiere. Wir hatten vor 2 Jahren ja schonmal die Gelegenheit, 3 Wochen mit Dark Tranquility zu touren. Und danach nochmal 2 Wochen selbstorganisiert mit Thulcandra. Also wir kannten dadurch ja beide Situationen, also die Nightlighner-Tour versus die Tour, wo man selber fährt und durchwechselt. Ich würde nicht sagen, dass wir Routiniers sind, das wäre gelogen. Aber wir haben zumindest unsere Hausaufgaben gemacht. Von der Orga der aktuellen Tour läuft das super ab. Unser Gitarrist Ole in Rücksprache mit unserem Tonmann Heiko haben da wirklich eine Klasse Vorarbeit geleistet. Wir machen auch das Merch selbst, was für uns sehr cool ist. Wir können dann immer noch als quasi Newcomer den Dialog zu den Menschen suchen, vor denen wir gespielt haben.

Wie habt ihr den gestrigen Day Off verbracht?

Ganz ehrlich haben wir den Tag im Bus verbracht. Es war eine recht lange Strecke von Oslo nach Hamburg. Wir sind auch erst abends in Hamburg angekommen und hatten dort ein Hotel. Dort konnten wir duschen und essen, dann ging es aber auch schon wieder in den Bus. Hamburg angucken war somit nicht drin. Aber ein wenig Entspannung tat schon ganz gut, das muss man auch mal so sagen.

Wie ist denn das Leben im Bus?

Es ist noch erträglich, aber wie es halt so ist: Der Tag vor dem Day Off ist der Party Abend und jeder, der da nicht zur Truppe gehörte, wäre wohl schreiend aus dem Bus gelaufen. Aber wir haben den Geruch ganz gut wieder rausbekommen. Oder vielmehr unser Busfahrer, der gelüftet und sauber gemacht hat. Und jetzt kann man auch wieder Leute reinlassen ;).

Wie ist es zwischenmenschlich, im engen Bus über Wochen zusammenzuhocken?

Für uns kein Problem. Wir sind so gut zusammen gewachsen, dass wir das jeden Tag genießen, viel Zeit miteinander verbringen zu können. Das läuft ja auch beim Songwriting so ab. Wir kennen die Malessen von jedem einzelnen und wissen da eher besser mit umzugehen, auch schon im Vorfeld. Dadurch kommt es gefühlt gar nicht zu Reibereien. Es macht immer Spaß.

Welches sind Eure Lieblingslocations: Festivals versus Clubshows?

Ja ich habe da so eine diplomatische Antwort, die vielleicht jeder geben wird, aber die stimmt halt: Die großen Bühnen machen unfassbar viel Spaß, man kann sehr extrovertiert agieren und den Bühnenraum ausnutzen. Aber bei der kleinen Bühne, wenn die Hütte voll ist, ist es natürlich auch extrem cool, den direkt Kontakt zu haben. Wenn man jemanden kennt oder über den Abend kennenlernt und derjenige dann auf die Show anspringt. Beides hat seinen Reiz und ich kann gar nicht sagen, was ich besser finde. Es ist natürlich extrem spannend, wenn man vor einem riesengroßen Publikum steht und man hat das Gefühl, es gibt auf einer sehr großen Fläche kaum mehr Lücken, das ist unfassbar spannend. Und wenn die dann auch noch alle mitmachen, sind die deutlich enthemmter als ne kleine Gruppe, wo eher nach rechts und links geschaut wird. Das coole an der Tour ist ja auch, dass wir gefühlt nur ausverkaufte Shows gespielt haben. Das ist für uns eine neue Situation: recht große Venues zu haben, die ausverkauft sind. Und Hannover heute Abend ist nochmal ganz besonders, weil wir hier viele Bekannte haben, die hier herkommen. Da kommen Bekannte aus Ostfriesland hierher, um uns sehen zu können. Unser Lichtmann kommt aus Hannover. Daher wird es ein cooler Abend mit einer Mischung aus vielen bekannten und neuen Gesichtern.

Wie kam es zu der Tour mit Amorphis?

Im Wesentlichen über unser Booking. Sowohl das Booking als auch wir selber haben die Augen und Ohren offen gehalten, die Fühler ausgestreckt. Wo könnte es passen. Und bei dieser Tour war es wirklich so, als wir nur die Namen gehört haben, wussten wir schon: Okay, das wäre optimal, wenn wir dabei sein könnten. Und geholfen hat auch, dass wir unsere neue Scheibe mit einbringen konnten.

Wie ordnet Ihr Euch musikalisch ein?

Das würde ich am liebsten dem Hörer überlassen. Es ist Metal, und alles andere kann sich jeder selbst raus picken, was er mag. Wir haben uns selber mittlerweile deutlich breiter aufgestellt. Unser Heritage liegt irgendwo im Melodic Death und Doom Bereich. Aber was wir schlussendlich sind, soll der Hörer entscheiden. Es ist Musik.

Photo by Ester Segarra

Habt Ihr neben der Band noch normale Jobs?

Ja, wir haben alle noch normale Jobs. Wir leben noch nicht von der Musik. Für diese Tour ist es nicht für alle einfach gewesen, Job und Musik zu vereinbaren. (Carsten ergänzt:) Ich muss am Sonntag die Tour verlassen und eine Woche arbeiten müssen. Und ab Wien spiel ich den Rest der Tour dann wieder mit. In dieser Woche werde ich durch Victor (Tryptikon, Dark Fortress) ersetzt. Das würde ich tatsächlich sehr gerne sehen, wie er die Songs interpretiert. Für mich ist das aber wie ein Ritterschlag, dass er mich ersetzt und spielen will. Das werden die ersten vier Shows seit 12 Jahren, die ich nicht mitspiele. Raimund: Für den Rest ist es so, dass wir Urlaub bekommen haben. Bzw. ich arbeite durch während der Tour per HomeOffice. Ole macht es ähnlich und arbeitet auch von unterwegs. Aber einfach ist es nicht.

Black Frost, das neue Album: Lasst Ihr Euch gern mit anderen Bands vergleichen?

(Raimund lacht und deutet auf mein Katatonia Shirt) Also erstmal möchtest Du mich ja schon unterschwellig beeinflussen. Davon ab ist es bei unserem neuen Album tatsächlich so, dass wir uns eher von uns selbst haben inspirieren lassen. Wir haben uns angeschaut, was sind die Qualitäten der Band, die wir selbst auch sehen und die wir selbst auch schätzen. Und wollten die auf die Spitze treiben und anreichern mit atmosphärischeren, flächigeren Gitarrenpassagen, wodurch dann eben auch der Gesang anders wirken konnte, der Rhythmus auch mal mehr im Vordergrund steht, Schlagzeug und Bass. Wir haben nicht mehr in Vorbildern gedacht. Das haben wir bei King Delusion auch schon deutlich weniger gemacht. Es gab beim Proben Parts, die wir zum Verständnis den ‚Tool-Part‘ oder den ‚Katatonia-Part‘ genannt haben. Das sind Einflüsse die wir nicht leugnen können und wollen, aber ich hab das Gefühl, dass wir mittlerweile den ’Nailed to Obscurity- Sound’ gefunden haben. Die Einflüsse sind Teil unserer DNA aber wir eifern denen nicht nach. Es ist ein Einfluss, eine Band, die wir alle geschlossen extrem stark finden. Aber wir eifern ihnen nicht nach.

Stichpunkt Videos: Story vs Performance
Was ist Euer Lieblingsvideo?

Das ist ganz klar das Storyvideo. Wir haben das Medium Performance Video damals dazu genutzt, um zu zeigen, wer wir sind: wer sind die Köpfe hinter der Musik. Und wir wollten trotzdem eine gewisse Atmosphäre transportieren. Das, was wir live auch auffahren. Wir finden auch, dass das Thema Lyric-Video uninteressant geworden ist, weil es eben auch so viele machen. Wir haben selber gesagt, das Performance-Video ist das bessere Lyric-Video. Derjenige, der es sieht, bekommt einen Eindruck davon, was ihn live erwartet. Und hat trotzdem einen coolen, visuellen Content zu der Musik. Und ein Story-Video war von uns immer angestrebt. Wir sind froh, dass das jetzt auch geklappt hat. Und dazu noch mit einem renommierten Regisseur, der auch viele Arbeiten gemacht hat, die uns bisher angesprochen haben. Beide Varianten zeigen wieder die verschiedenen Facetten auf und sind auch eigenständig geraten, was wiederum für die Musik spricht. Gerade Black Frost und Tears of the Eyeless haben je weils einen sehr eigenen Charakter

Was ist Eurer aktueller Lieblingssong live?

Desolate Ruin! Den haben wir festgehalten, weil das einfach ein Song ist, der sich immer extrem gut anfühlt. Das Set fühlt sich rund an, wenn wir den am Ende spielen. Und von den neuen Songs ist es jetzt (Du kannst mich morgen fragen, und kriegst eine andere Antwort…) Feardom (Carsten steigt auch mit ein und bestätigt Feardom) Carsten: Live ist es Feardom und fühlt sich richtig gut an. Generell gehört das Album zusammen und wenn wir die Zeit hätten, würden wir es komplett spielen ;). Im Live-Set sind die vorangegangen Videos mit eingebaut, weil die die Zuschauer schon kennen.

Ich bedanke mich bei Raimund und Carsten für das angenehme Interview. ARGL ÄRKS.