(End Hits Records/ Cargo)
Aktuell noch auf einer ausverkauften Euro-Tour mit Stick To Your Guns unterwegs und demnächst steht schon die Veröffentlichung des Indie-Projekts TRADE WIND an - Jesse Barnett kann sich wahrlich nicht über Untätigkeit beschweren. Anders als der Hauptarbeitgeber, ist der Ton bei TRADE WIND weniger aggressiv, sondern eher versöhnlich. Das ist durchaus überraschend, weil nämlich u.a. auch Tom Williams der Hardcore-Wüteriche Stray From The Path mit an Bord ist. Bei einer gemeinsamen Tour ist der Wunsch entstanden abseits vom wütenden Hardcore-Sound Musik zu schreiben, die die "softe" Seite der Jungs in den Vordergrund stellt. Dass das Ganze nicht zum 254. lauwarmen Aufguss mit Lagerfeuer-Romantik wird, ist dem Anspruch der beiden Masterminds zu verdanken, die etwas Besonderes und Nachhaltiges erschaffen wollten. Die Promo-Abteilung faselt was von Bon Iver mit gleichzeitigen Thrice-Zitaten, um dann noch Jimmy Eat World und The Appleseed Cast in die Referenz-Kiste zu packen. Gut, kann man so sehen/ interpretieren - aber TRADE WIND wollen sich gar nicht erst anderen Bands anbiedern, sondern stehen für sich selbst. Das ist in der heutigen Zeit schwierig genug und ebendies verdient Respekt.
Mit dem sphärischen 'Surrender' startet "Certain Freedoms" fast rein instrumental, bis kurz vor Ende des Songs, der fragile, vorsichtige Gesang übernimmt und beim nachfolgenden 'No King But Me' in ganzer Pracht zeigt, was ein toller Sänger der Herr Barnett ist, wenn er mal nicht aggressiv rumpoltert. Ein wunderschöner Indie-Track, der an die Großtaten von Nada Surf oder Death Cab For Cutie anknüpft ohne deren Verkopfheit zu haben.
Und so entwickelt sich die Platte auch weiter. Sehr ruhige und wunderschöne Melodien, die sich spätenstens beim zweiten Durchgang im Ohr festsaugen und die Melancholie der Kompositionen hervorragend und sehr präsent herausarbeitet. Der vierte Song 'I Can't Believe You're Gone' hat bei mir eine Assoziationskette hervorgerufen bei der City And Colour gemeinsam mit Tears For Fears in einer von der Außenwelt abgeschnittenen Skihütte festsitzen und mal eben beim Rumjammen vor'm Kamin das beste Herbstlied seit langer Zeit geschrieben haben.
Außer dem Titelsong bleiben alles Tracks sehr zurückhaltend, setzen aber gleichzeitig enorm Energie frei, die die zerbrechlichen Indie-Ideen perfekt in Szene setzen.

Trade Wind Photo courtesy of End Hits Records
TRADE WIND ist weit entfernt von den Hauptbands, was dem Projekt auf jeden Fall sehr gut tut, da hier keinerlei Ansatzpunkte zu finden sind, die einen Vergleich notwendig machen. Im Grunde werden komplett unterschiedliche Zielgruppen angesprochen. "Certain Freedoms" wird aufgeschlossene Musikliebhaber begeistern und überzeugen.
Subjektiv betrachtet fehlt mir etwas der Punch, um TRADE WIND die höchste Punktzahl zu geben, allerdings habe seit Wintersleep's "Welcome To The Night Sky" kein so schönes Indie-Werk mehr gehört.
Album-VÖ: 26.04.2019