(AFM Records)
TANZWUT sind ja bekannt dafür nicht lange zu warten und bringen öfters mal jedes Jahr ein Album auf den Markt oder, wie im Jahr 2011 geschehen, sogar gleich zwei in einem Jahr. Nun sind fast drei Jahre seit "Schreib es mit Blut" vergangen und mit "Seemannsgarn" steht das inzwischen elfte Studiowerk der Mannen aus Berlin bereit. Eine doch schon längere Pause, wie wird man diese genutzt haben? Geht es wieder mehr in Richtung Industrial? Oder gibt es, bei dem Titel, nun bestes Material zum gemeinsamen Schunkeln? Zeit es herauszufinden.
Gestartet wird direkt mit dem Titelstück 'Seemannsgarn' und nein, zurück zu alten Tugenden geht es definitiv nicht. Die Dudelsäcke sind sofort pägnant zu hören, aber von Industrialeinflüssen vernimmt man genauso wenig wie von einem NDH Unterbau. Stattdessen gibt es typischen Mittelalterrock, also Drums und Gitarren kommen zu den Dudelsäcken hinzu und Teufel singt dazu in Midtempo. Durchaus ein solider Einstieg, der sich gut hören lässt. 'Galgenvögel' bietet deutlich härtere Riffs und geht damit mehr in Richtung Metal. Auch bietet der Refrain ein etwas höheres Tempo, dafür ist der Text aber relativ simpel. 'Reden ist Silber' gehört da wieder zur langsameren Sorte, ist aber auch etwas düsterer angelegt. So richtig im Gehörgang festsetzen will es sich aber nicht. 'Die letzte Schlacht' betont weiterhin das TANZWUT gerne mit etwas agressiveren Riffs experimentieren und noch mehr gesteigert wird dies mit 'Schwarzes Gold', welches direkt mit einem Gitarrensolo beginnt. Die Härte ist eine überraschende Abwechslung und auch gewisse NDH Elemente kommen nun doch wieder durch. Allerdings ist die Melodie dafür ein bisschen enttäuschend.
Eine Ballade wird nun mit 'Ich bin der Nachtwind' zum Besten gegeben, stimmlich hat solche Lieder der Teufel aber schon deutlich besser hingekriegt. Insgesamt ist die Abwechslung inzwischen deutlich zu niedrig, auch 'Der Puppenspieler' bringt zu wenig frischen Wind mit sich. Grade die Dudelsäcke hören sich zu oft gleich an und das die Instrumente härter als bei anderen Mittelalterbands gespielt werden, hat inzwischen auch viel von seinem Reiz verloren. 'Francois Villon' beginnt noch ganz klassisch wie Mittelaltermusik ohne Rock, aber natürlich kommt dieser dann auch wieder dazu. Dabei hätte mir das Stück glaube ich ohne diesen viel besser gefallen, da die Melodie bis dahin echt super ist. Durchatmen, denn 'Das Gewissen' geht mir sofort ins Blut, ist toll gesungen, hat gutes Tempo und eine Melodie die im Ohr bleibt. Warum nicht öfter so? Aber zum Glück wirkt auch 'Schmiede das Eisen' deutlich frischer als der Rest von "Seemannsgarn". Aber warum muss man so lange warten um Lieder von diesem Niveau zu hören? Denn mit 'Gib mir noch ein Glas' geht es nämlich klasse weiter. Eine Hymne auf die Freundschaft und das Leben welche sehr stark an In Extremo erinnert, aber das ist ja überhaupt nicht schlimm.
Nun also drei absolut überzeugende Lieder hintereinander und auch 'Im Freien Fall' geht schön nach vorne und man spürt viel mehr Spielfreude als in der kompletten ersten Hälfte des Albums, auch wenn das Stück mit gut fünfeinhalb Minuten doch ein klein wenig zu lang geraten ist. 'Herrenlos und Frei' ist dann ein gelungener Abschlusssong und lässt sich auf Konzerten sicherlich bestens mitsingen. Als Bonus gibt es nun noch einmal 'Gib mir noch ein Glas' aber diesmal im Duett mit Kärbholz, der Unterschied ist aber eher marginal.
Vor drei Jahren bemängelte ich das 'Schreib es mit Blut' viel zu lang ist und erst der hintere Teil des Albums richtig zünden würde. Und genau das passt 1:1 auch zu 'Seemannsgarn', wobei die vordere Hälfte schon etwas gefälliger ist als auf dem 2016er Werk. Aber 14 Lieder und über eine Stunde Gesamtspielzeit ist einfach zu viel des Guten. Dafür sind die Stücke nicht abwechslungsreich genug und so richtige Hits vermisst man weiterhin komplett. Aber es gibt durch die Bank weg schnörkelosen Mittelalterrock. Und da Saltatio Mortis einem inzwischen eher Deutschrock mit sozialkritischen Botschaften auftischen, In Extremo auch munter in den Genres umherspringen und Schandmaul doch deutlich softer geworden sind und mit vielen Balladen daherkommen, findet der geneigte klassische Mittelalterrock-Fan ja hier eventuell genau das Material welches er gesucht hat.
Anspieltipps: 'Das Gewissen', 'Gib mir noch ein Glas'
Album-VÖ: 07.06.2019