woa 2019 Nachbericht

Was für ein Jahr! Zum 30. Mal öffneten die Pforten zu Deutschlands größten, lautesten, und ehrlich gesagt auch geilsten Metal-Festival überhaupt. Das Motto „Rain or Shine“ vom Wacken Open Air konnte man dieses Mal durch ein „or Storm“ ergänzen, und das war ja schon im Vorfeld mit kritischen Augen beobachtet worden, und so sollte auch Wacken nicht von Unwettern verschont bleiben. Aber dazu gleich mehr.

Die Anreise erfolgte dieses Jahr katastrophal spät, sodass wir nicht einmal die großzügigen Check-In-Zeiten am Mittwochabend erreichten und unsere erste Festival-Nacht im Bus auf dem Check-In-Parkplatz verbrachten, ohne Campground-Atmosphäre, ohne ein gemütliches Lager aufzuschlagen. Dafür konnten wir dann Donnerstag ganz früh aufs Gelände, und freundlicherweise wurde uns auch noch ein Parkplatz freigehalten, sodass wir uns endlich mit unserer jährlichen Gruppe treffen konnten.
Musikalisch hatten wir einiges auf dem Zettel (Cancer hatten wir ja nun schon verpasst, also wollten wir bei der restlichen persönlichen Running Order nichts versäumen), also hieß es direkt um 13Uhr lokalen Support beim Metal Battle machen und sich Source Of Rage anschauen. Die Jungs kenne ich persönlich, da sie nur ein paar Kilometer weit weg wohnen. Mit einem tollen Auftritt auf der History Stage heizten sie dem Publikum mit Songs wie "A matter of a coward" oder "Replay the scenes" gut ein, später hat es dann leider nicht für einen der begehrten oberen Plätze gereicht. Aber Schwamm drüber, denn auch so haben sie ordentlich abgeliefert.


Testament auf der Louder Stage? Naja, wieso nicht. Immer wieder ein Vergnügen, sich die Herren anzuschauen und anzuhören. Thrash Metal at its best. Ein geiles Programm mit vielen Hits, das war schon recht früh im Festivalverlauf eine Herausforderung für die Nackenmuskulatur. Gerade im Mittelpart ihres Sets hauten sie einen Klassiker nach dem anderen raus mit Songs wie "Low", "Into the pit", "Electric Crown" oder "Disciples of the watch".


Allein schon aus Neugier musste ich abends noch schauen: was machen Sabaton auf beiden Hauptbühnen, wie soll das funktionieren? Nunja, mit einer großen Menge an Gastmusikern, großen Bühnenaufbauten etc. rollte die schwedische Kriegsmaschinerie ihr Programm runter. Den Fans gefiel es, ich hatte nach einigen Songs genug gesehen, um für mich erneut festzustellen, dass ich mit Sabaton nicht warm werde. Mein absoluter Vorteil dabei ist, dass mein persönlicher Lieblingssong "Ghost division" der klassische Opener ist, und man somit auch ohne Schwierigkeiten das Wichtigste gehört hatte, ohne lange bleiben zu müssen.


Freitag stellte mich mehrfach vor Probleme, angefangen mit der Fragestellung „Equilibrium oder Jinjer“? Aus dem Bauch heraus hab ich mir lieber Jinjer angeschaut, und es war ein absolutes Brett. Das Gesangstalent von Frontfrau Tatiana ist einfach unfassbar, sowohl im Cleanbereich als auch bei den Growl Parts. Mit dem Kracher "Perennial" endete ein grandioses Set mit einem Paukenschlag. Lediglich der goldene Ganzkörper-Anzug von Tatiana war ziemlich gewöhnungsbedürftig.


Die nächste Fragestellung war dann „Cradle of Filth oder Nailed to Obscurity“. Als echter Fanboy konnte es nur letzteres werden, also auf zur WET Stage. Den gleichen Weg nahmen dann aber auch die dunklen Wolken am Himmel, und so wurde in allerletzter Sekunde der Auftritt abgesagt (bzw. verschoben), das Festival komplett unterbrochen und die Leute zurück auf den Campground geschickt zur Sicherheit aller.

Es folgten unschöne Szenen, in denen sich die Fans Wortgefechte und Schlägereien mit der Security lieferten.... nicht! Ein weiteres Mal zeigte sich, wie harmonisch die Metal-Community ist. Die Ordnungskräfte räumten ruhig und gelassen das Feld, ein lächeln und freundliche Worte auf den Lippen für die teilweise enttäuschten Fans, die aber allesamt Verständnis hatten und ohne Randale den Anweisungen folgten. Und schon bald erfolgte dann auch wieder die Entwarnung und der Festivalbetrieb konnte wieder aufgenommen werden... Aber damit war die Personal Running Order ordentlich durcheinander geraten. Wer spielt jetzt wann wo? Was wird noch nachgeholt?


Nailed To Obscurity bekamen einen Spielplatz auf der Beergarden Stage, wo sie in einer denkbar unpassenden Kulisse ein nichtsdestotrotz wahnsinnig eindrucksvolles Set spielten. Black Frost, und das trotz strahlendem Sonnenschein. Dafür aber nur zwei Songs von Body Count und gar nichts von Anthrax. Ein hoher Preis für ein nichtsdestotrotz tolles Konzert.


Demons & Wizards oder Meshuggah? Ebenfalls eine knappe Entscheidung, aber ich war einfach zu heiß darauf, die Schweden endlich mal wieder live zu sehen. Geile Show, tolles Publikum, auch wenn böse Zungen behaupten, die Band hätte nur einen Song gespielt, und der sei sehr lang gewesen. Für mich völlig unverständlich, wie man diese Timing-Monster nicht mögen kann.
Danach hieß es „Time to say gooodbye“. Ein letztes Mal spielten Slayer auf dem Wacken Open Air auf. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge brachten die Altmeister des Thrash Metal die Menge zum Toben. Es fehlte kein einziger Hit, und was könnte es schöneres geben, als ein Slayer-Konzert mit "Angel of death" zu beenden? Richtig, da geht eigentlich nichts drüber.


Den Tagesabschluss (und vermutlich eines der besten Konzerte des Festivals) gaben dann zu später Stunde für uns noch Opeth. Eine Setlist, die sowohl ihre spielerisch-kompositorischen Fähigkeiten unter Beweis stellte, sowie die Tatsache, dass diese Band nicht nur ruhige Songs spielen kann, sondern auch richtig guten ProgDeath beherrscht. Mit "Deliverance" endete das Set. Dann hieß es langsam Richtung Zelt gehen, um sich für den noch kommenden Samstag auszuruhen. Was für ein verrückter Tag.


Fast schon prophetisch ging dieser Samstag los. „Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ skandierten Die Kassierer. Als klassischer Abfahrtstag für uns sozusagen das Tagesmotto. Eine tolle Show boten auf der Wasteland Stage Critical Mess aus Hannover, die dort auch ein Video drehten. Dem einen oder anderen dürfte Britta am Gesang noch von der Thrashmetal-Band Cripper bekannt sein, hier kann sie sich nun perfekt austoben.


Von Prophets Of Rage bekam ich leider auch nur ein paar Songs mit, denn der Bus-Shuttle war leider vorab etwas zu voll und man hatte mit Wartezeiten zu rechnen.
Bullet For My Valentine lieferten zumindest instrumental ziemlich gut ab, stimmlich war das ganze eher durchwachsen, aber spätestens bei "Scream Aim Fire" war das dann auch egal.
Ähnlich wie die Tage zuvor schon Sabaton hieß es jetzt „ab zu Powerwolf, vielleicht verstehst du es ja diesmal“. Aber nein, auch hier konnte mich die Band erneut nicht abholen. Aber auch hier gilt: Geschmackssache, den meisten Leuten hat es gut gefallen.

Letzte Band sollte für mich Parkway Drive werden. Mit hoher Erwartung ging ich an die Sache ran, aber allein schon der unendlich lange andauernde Aufmarsch der Band zehrte an meinen Nerven, die „totale Überraschung“, dass der im Rollstuhl sitzende Bassist doch vor Ort ist und nach ein-zwei Songs auf die Bühne kam war auch eher gewöhnungsbedürftig (schließlich war auch vorher schon Bass zu hören), und die Krönung der Fremdscham kam auf, als dessen Mutter zum Stagediving auf die Bühne gebracht wurde und mit lauten „Mum, Mum, Mum“-Rufen durchs Publikum getragen wurde. Das hatte für mich leider nichts mit dem Verhalten eines „Headliners“ zu tun und wirkte einfach nur peinlich. Ja, ich weiß, es GIBT keine Headliner, und ja, Metal darf auch Spaß machen. Ich jedenfalls empfand diesen Auftritt nicht als spaßig. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass ich eher Fan der ersten Stunde bin und mit der Entwicklung der Band nicht mitgegangen bin. Aber dies ist auch nur eine kleine Randnotiz auf einem Zettel, der insgesamt, wie so jedes Jahr, in erster Linie mit tollen Momenten, wahnsinnig guten Bands und dem besten Publikum der Welt gefüllt ist. Immerhin wusste Parkway Drive, ein ordentliches Feuerwerk und eine grandiose Pyroshow zu bieten. Wenn mich das Ganze nicht mit den Ohren abgeholt hat, fürs Auge war das allemal was.

Wie jedes Jahr bleibt mir zum Schluss zu sagen: Ein großes Lob an die Veranstalter, die erneut ein tolles Festival gezaubert haben und trotz der Witterungsbedingungen allzeit die Ruhe bewahrt haben und uns, den Fans, niemals das Gefühl vermittelt haben, dass wir uns Sorgen machen müssten. Eigentlich hatte ich mir für das 30-jährige Jubiläum Band-mäßig irgendwie noch eine Überraschung erhofft, irgendwas Riesengroßes, aber wie eben schon gesagt: die Headliner sind die Fans, die Bands sind alle für sich geil, und letztendlich kann man es eh nicht jedem jederzeit recht machen. Wir freuen uns auf nächstes Jahr, wenn es dann wieder heißt: „Rain or Shine“.

 

Beitragsbild by Carsten Brand
Photos by Matthias Brandt