(Gunner Records/ Broken Silence)
"Another Year" ist erst das zweite Album der aus San Diego stammenden WESTERN SETTINGS, die es seit 2013 gibt. "Erst", weil sie trotz der mageren Alben-Ausbeute "präsent as fuck" sind. Gründe u.a.: sie touren gefühlt immer und haben bereits zahlreiche EPs rausgehauen, die es dem geübten Szenekenner schwer gemacht haben, nicht auf das Quartett aufmerksam zu werden. In Kooperation mit A-F Records haben Gunner Records hierzulande die Ehre, das neue Werk veröffentlichen zu dürfen. Der Vorgänger "Yes It Is" war überraschend frisch und hatte durchgehend Hits am Start, die euphorisch, eingängig und das "gewisse Etwas" hatten. So war es trotz dem ausgelutschten Trend des "Beard-Punk" ein wahres Vergnügen, das Album in Dauerrotation zu hören.
Was ich schon behaupten kann: Mit "Another Year" werde ich mich persönlich schwerer tun. WESTERN SETTINGS bevorzugen aktuell fast durchgängig das Midtempo, während die Songs erwachsener und ausgefeilter klingen. Das Songwriting ist ernst und teilweise elegant zu umschreiben. Trotz der eigentlich positiven Attribute, ist aber der energische Auftritt flöten gegangen. Ich mag es sehr, wenn sich Bands weiterentwickeln, allerdings bin ich begeistert, wenn mich Bands wegblasen mit einem Sound, der aus der Masse hevorsticht und ein Alleinstellungsmerkmal kreiert.
Der Background des Punkrock, gemixt mit feinen Indie-Gitarren und einem Gesang, der sich zwischen melancholisch und zurückhaltend-aufbrausend einpendelt. Das haben The Flatliners, The Menzingers und zuletzt Spanish Love Songs perfekt auf den Punkt gespielt und ziemlich gelungene Alben herausgebracht. Warum ist also "Another Year" nicht ganz so begeisternd (evtl. auch nur in den ersten Augenblicken)? Vielleicht weil es wie ein Aufguss eben genannter Bands klingt? WESTERN SETTINGS geben all ihr Herzblut, aber die Seele kommt ein wenig zu kurz. Vermutlich wächst die Platte mit jedem Hören und sie wird ein ständiger Begleiter in allen Lebenslagen, aber Tracks wie z.B. 'Another Year', 'Break' oder meinetwegen 'Spinning World' fehlt der notwendige Zug und der griffige Refrain, um vollends zu begeistern. Zugegebenermaßen wissen die Jungs, wie man Melodien schreibt und manche Gitarrenparts lassen angenehm die Unterarm-Härchen senkrecht stehen.
Die hohe Erwartungshaltung war vielleicht nach dem tollen Vorgänger gar nicht zu erfüllen, denn "Another Year" würde als Debütalbum von mir mit Herzchen überschüttet. Da ich aber erlebt habe, dass WESTERN SETTINGS noch mehr Energie haben, um den Arsch mal richtig wackeln zu lassen, ist die aktuelle Platte solide und nett (und gebt dem Wörtchen bitte wieder die Posivität zurück, denn so ist es auch gemeint).
Album-VÖ: 06.09.2019