Die junge Bielefelder Uni feiert dieses Jahr 50-jähriges Bestehen. Neben vielen Festakten und Sonderveranstaltungen stand glücklicherweise auch ein Festival auf dem Programm, welches mit einer tollen Mischung aus angesagten Newcomern und etablierten Festival Acts auftrumpfte, aber letztendlich nicht so viele Zuschauer in den Lokschuppen locken konnte, wie es die Veranstaltung verdient gehabt hätte.
Das der Lokschuppen Bielefeld eine geeignete Feier-, Konzert- und vor allem auch Festivallocation ist, wissen alle Besucher, die schon einmal zu einem Grand Hotel Van Cleef Fest oder einem von Caspers Zurück Zuhause Festivals vorbeigekommen sind. Drei Säle - groß, mittel, klein. Je nach Auslastung flexibel anzusteuern. Dazu eine grandiose Sound- und Lichtanlage, welche auch an diesem Abend keine Wünsche übrigließ. Somit verbleiben Abstriche bei den Getränkepreisen oder der Parkplatzsituation des Ladens, aber da weiß man als erfahrener Besucher worauf man sich einlässt.
Als der Opening-Act MAJAN um 17:30 die Bühne betrat, war die Parkplatznot des Lokschuppen jedenfalls noch nicht spürbar akut. Nur wenige Zuschauer verloren sich in der großen Halle, um einen der angesagtesten Newcomer der deutschen Hip-Hop Szene zu begutachten. Der erst 19-jährige MAJAN hat gerade erst den begehrten New Music Award im Rahmen des Reeperbahn Festivals abgeräumt. Mehr Vorschusslorbeeren geht eigentlich nicht, und auch wenn MAJAN nicht gerade die Musik repräsentiert, die auf GESTROMT ihr Zuhause hat, beeindruckt der junge Talentmann aus Schorndorf, welcher sich hinter keinem alteingesessenen Rapper verstecken braucht. Auch vor keinem Sänger übrigens. Denn wenn etwas im Musikprojekt MAJAN heraussticht, ist es die Tatsache, dass der junge Mann dir in der einen Minute einen fetten Freestyle vor den Latz knallt, in der nächsten gefühlvollen Soul singt und am Ende auch mal selbst am Piano Platz nehmen kann. Chapeau, MAJAN!
Weiter ging es mit den Kraftklubschwestern von BLOND. Die zwei Girls, One Man Band zählt zu den aufstrebenden Kombos in der deutschen Musiklandschaft. Es gelingt ihnen ihrem Set einen gesunden Spannungsbogen zu verleihen, indem sie ein paar neue Songs an den Mann bringen, ein solides Cover von Katy Perrys ‘I Kissed A Girl’ vortragen und mit ‘Spinaci’ den Hit der Band am Ende platzieren. Die Ansagen bewegen sich stets zwischen völlig drüber und doch ein bisschen witzig. Auf jeden Fall ein sympathischer Auftritt und die Spieldauer exzellent genutzt.
Die Nürnberger Indie-Formation GURR spielte vom Rock im Park bis zum Southside Festival schon alle deutschen Festivalschwergewichte. Und auch für nächstes Jahr stehen bereits diverse Festivaldates im Terminkalender der Band. Das der unaufhaltbare Siegeszug durch die deutsche Indiemusiklandschaft fortgesetzt wird, daran lässt die Band an diesem Abend keinen Zweifel. Die Show der Band ist schweißtreibend und animiert die ersten Studenten zu zaghaften Crowdsurf-Versuchen.
Dankbar übernehmen ADAM ANGST anschließend den Staffelstab von GURR. "Bei euch ist jetzt schon Wochenende", begrüßt ADAM ANGST-Frontsänger Felix Schönfuss die warmgetanzte Meute. Die politische Band glänzt mit einem Set von enormer Hitdichte, wenn man bedenkt, dass ADAM ANGST eigentlich erst zwei Longplayer veröffentlicht haben. Circle Pits, Pogo-Tanzen, Crowdsurfen – alles geht – nichts muss. Das Publikum geht respektvoll miteinander um und selbst die reinen Zuseher finden einen guten Platz nah vor der Bühne. Eine neue Eskalationsstufe wird dennoch erreicht, als Sänger Schönfuss bei ‘Splitter von Granaten’ den Weg ins Publikum sucht und die Botschaft des Songs nochmal deutlich unterstreicht.
Ebenso wie ADAM ANGST, schaute auch der Headliner des Abends zum wiederholten Mal bei den Bielefelder Studenten vorbei. Denn auch VON WEGEN LISBETH spielten bereits auf einem Bielefelder Campus Festival. Das man inzwischen als Headliner von der Bühne grüßt, hätte sich die sympathische Berliner Indieband bei ihrem letzten Besuch jedoch auch noch nicht vorstellen können. Doch auch hier überzeugen Show und Hitdichte von der ersten bis zur letzten Nummer. Die Band ist in der Lage der Show einen steigenden Spannungsbogen zu verleihen und auch die Ansagen von Sänger Matthias Rohde wirken frisch und ehrlich. Das Bielefelder Publikum zeigt sich äußerst dankbar und quittiert die Show mit erstaunlicher Textsicherheit. Und auch wenn die Band meint, dass sie an diesem Abend umswitchen muss, zwischen Solo-Show und Festivalauftritt, und das dann irgendwie merkwürdig wäre - so groß scheinen die Unterschiede nicht zu sein.
Unterm Strich steht ein gelungener Festival-Tag zum 50.Geburtstag der Uni-Bielefeld, der durchaus ein paar Besucher mehr verdient gehabt hätte. Zur nächsten Party schauen wir gerne wieder vorbei. Das Bielefelder Campus Festival steigt jedenfalls am 18.06.2020 und der Vorverkauf beginnt bereits am 04.11.2019.
Fotos by Mark Haake.