(Pelagic Records/ Cargo)
Post-Rock/Post-Metal ist ein Metier, welches Musikern als auch interessierte Hörern viel abverlangt. Geduld, Neugier, Aufgeschlossenheit gehören zu den Eigenschaften die man als Fan mitbringen sollte, um in die spannungsvollen Instrumental-Stücke eintauchen zu können, die von Künstlern erschaffen werden, die ein Händchen für aufregende Dynamiken haben und trotz des Ausbreitens auf ganzer Fläche, fokussierte und präzise Punkte setzen, an denen man sich als Zuhörer orientieren kann. In diesem Genre zählt der Wille, etwas entdecken zu wollen - Strukturen aufbrechen, bekannte Pfade verlassen und sich mit voller Hingabe in Kompositionen hineinstürzen, die nicht für den schnellen Kick gedacht sind, sondern im besten Fall lange nachwirken und immer wieder Nuancen freilegen, die die Musik niemals langweilig werden lassen.
PG.LOST aus Schweden sind ein Vertreter dieses Stils und präsentieren uns nach vier Jahren Wartezeit ihr neues, berauschendes Album "Oscillate". Hier gibt es acht Tracks in knapp einer Stunde Spielzeit zu bestaunen, die miteinander verwoben sind und als Gesamtkonzept funktionieren. Ähnlich wie die Kollegen von Russian Circles, Explosions In The Sky oder Caspian erschafft das Quartett ein pures Musikerlebnis, was bestens in die Jahreszeit passt. PG.LOST haben (Ex-)Mitglieder von Ghost und Cult Of Luna in ihren Reihen, gemixt und gemastert wurde es ebenfalls von einem Cult Of Luna-Member. Entsprechend des Personals gibt es keine Kritikpunkte am Können der Beteiligten...ob die Musik aber die hohen Erwartungen erfüllen kann, muss sich zeigen. Wobei eine Erwartungshaltung seitens des Fans oder "Musikkritikers" schwierig zu formulieren ist, da gerade im instrumentalen Post-Rock das Unerwartbare passieren kann, was die Musik einerseits spannend gestaltet und andererseits unberechenbar macht - und beides ist was Positives.
Schon der Opener und gleichzeitige Titeltrack zeigt die Einzigartigkeit des Genres, wenn sphärische Flächen immer mehr Schichten aufeinandertürmen, um schlussendlich eruptiv dem Höhepunkt entgegenzusteuern. Klar, trifft das auf viele Produktionen in diesem Bereich zu und vielleicht kann man den Spannungsaufbau schon fast als Klischee bezeichnen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass PG.LOST einen tollen Einsteiger geschrieben haben, der Lust auf die nachfolgenden Tracks macht.
Bei 'E22' wird sogar die rein instrumentale Herangehensweise aufgebrochen, weil über den gesammten Song hinweg Vocals ohne Textfragmente gelegt sind - im Grunde melodiöse Klagelaute, die das Lied begleiten und eine gradlinige Eingängigkeit kreieren. 'Mindtrip' wiederum ist feinster Shoegaze, der mit Gesang sicherlich Fans von Suede hätte gefallen können.
PG.LOST machen es sich mit "Oscillate" im ruhigeren Fahrwasser bequem und überzeugen mit rhythmischen Tempiwechseln, die bisweilen zum Post-Metal rübergucken, aber mehr durch Intensität als Aggressivität überzeugen. Trotz allem sind die Songs ein Mix aus Brachialität und purer Schönheit. Mit jedem Hören offenbart sich mehr die Brillianz des Songwritings. Das ist Musik für Kopfhörer. PG.LOST machen keine Songs für Fast-Food-Konsumenten, sondern für Musik-Liebhaber, die sich nicht zu schade sind, sich Lieder zu erarbeiten, um die Erhabenheit zu verstehen und zu geniessen.
Album-VÖ: 20.11.2020