(Steamhammer / SPV)

Als Tom Angelripper 2018 seine jahrelangen Mitstreiter Bernemann und Makka vor die Tür setzte und ankündigte, mit einer neuen Mannschaft wieder mehr zu den Ursprüngen der Band zurück zu kehren, spaltete sich die SODOM-Fangemeinde in zwei Lager. Die eine Seite schrie Verrat während die andere Seite, zu der ich mich auch zähle, sich vor Freude fast nass machte. Auch ich fand, dass diese gewisse Räudigkeit, die SODOM immer ausgemacht hat, in den letzten Jahren, trotz immer guter Alben, zu sehr auf der Strecke geblieben ist.

Dass dann bekannt wurde, dass Tom in Zukunft mit zwei Gitarristen an die Front gehen will und die Posten neben dem bis dato eher unbekannten York Segatz mit Rückkehrer Frank Blackfire, der mit SODOM die Bandklassiker "Persecution Mania" und "Agent Orange" eingespielt hat, besetzt werden, war die Freude meinerseits noch größer. Komplettiert wurde die neue Besetzung von Ex-Desaster Drummer Husky, der parallel auch bei Asphyx die Schießbude bedient, und wie die Faust aufs Auge passt. Leider hat sich Husky Anfang 2020 entschieden, wieder auszusteigen um sich voll auf Asphyx zu konzentrieren. Seit dem haut Toni Merkel auf die Felle, mit dem Blackfire schon vor Jahren seine Soloband besetzte.

Photo by Mumpi Kuenster

Nun also nach zwei EP's das erste Album nach dem Neustart. Und gleich vorab gesagt, die alte Räudigkeit ist endlich wieder da. Natürlich ist das Album kein zweites "Obsessed By Cruelty" geworden. Aber das war wohl auch nicht zu erwarten. Statt dessen ist es im Prinzip "the Best of 2 Worlds". Für eine totale Rückbesinnung auf die Frühphase beherrschen die Jungs ihre Instrumente einfach zu gut.

Wem das die neue Scheibe einleitende Instrumental 'Blind Superstition' irgendwie bekannt vorkommt, der irrt nicht. Es diente schon auf der 1988er Live-Scheibe "Mortal Way Of Life" als Intro.

Auch der nächste Song weist total in die SODOM Frühphase. 'Sodom & Gomorrah' hätte auch auf "Obsessed by Cruelty" eine gute Figur gemacht. Der von Gitarrist York Segatz geschriebene Song wird live definitiv alles niederreißen.

Das von Frank Blackfire stammende Stück 'Euthanasia' macht auch keine Gefangenen und erinnert zumindest mich stark an die "Agent Orange"-Ära.

Weiter geht es mit dem Titelsong 'Genesis XIX', der in der noch mit Husky an den Drums aufgenommenen Version bereits von der "Out On the Frontline Trench" bekannt ist. Hier also die Neuaufnahme mit Nachfolger Toni Merkel.

Es folgt das komplett mit Deutschem Text versehene 'Nicht mehr mein Land', in dem sich Tom Angelripper recht anschaulich über alles auskotzt was im in Deutschland mtlw. übel aufstößt. Musikalisch beweist die Band, dass sie anno 2020 auch Grindcore-Einflüssen gekonnt umzusetzen weiß. Für mich eines der Highlights der Scheibe.

Melodischer geht es mit dem Song 'The Harpooner' weiter, der nach einem recht doomigen Intro gut losgaloppiert. Es folgt das Riffmonster 'Dehumanized', in dem Tom growlt, wie schon seit ewigen Zeiten nicht mehr und der mit fiesen Blastbeats unterlegte Refrain bietet Neudrummer Toni die Chance, sein herausragenden Technischen Fähigkeiten zu präsentieren.

Photo by Mumpi Kuenster

Der Song 'Occult Penetrator', der zwar gut und düster vor sich hin groovt, aber nach den ersten Durchläufen keinen bleibenden Eindruck hinterließ, hat sich mtlw. zu einem absoluten Grower entwickelt. Erinnert mich an die Phase mit Andi Brings an der Gitarre ("Better Off Dead" 1990).

Dass Tom ein Faible für die Vietnamkriegs-Thematik hat, ist ja spätestens seit "Agent Orange" bekannt. Im Song 'Waldo & Pigpen' nähert er sich dem Thema aus der Sicht zweier an besagtem Krieg beteiligter US-Bomberpiloten. Der Song beginnt düster-akustisch, steigert sein Tempo im Verlauf immer mehr und gehört zum besten Material, das SODOM seit Jahren geschrieben hat.

'Indoctrination' verbreitet hingegen ein schönes Hardcore Punk-Fair und bietet somit einen schönen Kontrast zum komplexeren Material der vorangegangenen Nummern.

Zum Abschluss der Scheibe wird dann noch mal so richtig der Knüppel aus dem Sack geholt. Drummer Toni brilliert im letzten Song 'Friendly Fire' mit derbsten Doublebass und Blast-Attacken, die keine Gefangenen machen und den geneigten Hörer atemlos und völlig begeistert zurück lassen.

Fazit: Für mich ein Album, das zwar nicht die von Tom angekündigte Rückbesinnung auf die 80er darstellt, aber alle Phasen der Band perfekt abbildet und nicht weniger als die Höchstnote verdient.

Album-VÖ: 27.11.2020