(Midsummer Records/Cargo Records)

Selbst ist der Mann. Wie schon bei seinen ersten beiden Vös, der Debüt EP "HUMAN CIRCUS" und dem ersten Longplayer "HOSPITAL BREAKFAST CONVERSATIONS", hat sich Marco Kallenborn aka CITIZEN TIM wieder zuhause eingeschloßen und im stillen Kämmerlein sein neues Album aufgenommen, gemixt und gemastert. Herausgekommen ist "C Is For Chaos/Control", welches in seinem Titel ebenso ambivalent ist, wie die Gefühle die es auslösen kann. In jedem Fall ein Soundtrack für die dunkle Jahreszeit, man muss nur damit umgehen können.

Kallenborn ist ein Grübler. Das sagt er selbst über sich und teilt diese Einsichten auf seinen durchaus lesenswerten Blogeinträgen seiner Website. So schreibt er beispielsweise zur dritten Singleauskopplung 'They Are Coming Closer', dass er es im Arbeitsprozess zum neuen Album ganz bewusst darauf angelegt hat, die Perspektive zu wechseln. Die Rolle des Beobachters mit der Rolle des persönlichen Erzählers zu tauschen. Das Ergebnis führte zu weitaus persönlicheren Songs, in welchen Kallenborn die inneren Dämonen ausleuchtet, mit denen ein ambitionierter Musiker gerne in Konflikt gerät. Denn “So schön dieses Singer-Songwriter-Ding auch ist, so sehr macht es mich auch streckenweise einfach fertig. Natürlich habe ich in den letzten vier Jahren eine Menge erlebt und viele neue, großartige Menschen und Orte kennengelernt; dafür bin ich enorm dankbar. Aber unterm Strich ist es auch einfach anstrengend. Wenn man alleine Musik macht und produziert, bleibt alles an einem selbst hängen und man trifft alle Entscheidungen selbst; das ist Fluch und Segen zugleich. Problematisch wird es dann, wenn man von Natur aus eh schon eine gewisse Grübler-Persönlichkeit an den Tag legt und sich ständig wegen irgendetwas verrückt macht.”

Es braucht also nicht viel Fantasie sich vorzustellen, dass die momentanen Zeiten die Hölle für einen Musiker bedeuten können. Und wenn man dann auch noch den beschwerlichen Weg geht, und von der Entstehung über die Produktion bis hin zu weiteren Arbeitsprozessen die ein Album so mit sich bringt, alles selbst in die Hand nimmt, so ist das sicherlich verdammt kräftezehrend und befeuert dann auch mal die Slebstzweifel. Dabei gibt es dafür keinen Grund. "C Is For Chaos/Control" klingt sehr fokussiert, ehrlich und selbstbewusst. Im Vergleich mit den Nummern des Vorgängeralbums kann man hier einen Künstler hören, der sich seiner eigenen Fähigkeiten mehr und mehr bewusst wird. Mit Mut im Geiste und Wut im Bauch schreibt man sich dann auch einfach mal den Frust von der Seele und erschafft somit einen Single-Release wie 'Pandemic':

Der Track kann ebenso als Fixpunkt des Albums gesehen werden, wie die Zusammenarbeit mit AMY BEVAN von THE TRAVIS WALTONS:

Und auch bei dem dazugehörigen Blogeintrag, bahnt sich wieder der Selbstzweifler seinen Weg an die Oberfläche: “Im Grunde nehmen wir uns doch oft selbst viel zu wichtig. Das geht mir genauso, wie es anderen geht. So wie manche Leute denken, sie könnten Menschen mit Fotos inspirieren, verbringe ich Stunden mit meiner Gitarre in meinem Home-Studio und mache mir Gedanken, was wohl die Leute fühlen werden, wenn sie die Songs hören.”

Vermutlich sind es Dinge wie Schwermut (‘They Are Coming Closer’), Fernweh (‘French Movies’) oder pure Melancholie (‘Sad Barrista Patterns’), die Leute bei den Klängen von CITIZEN TIM assoziieren.

Das notwendige und richtige Fazit zieht Kallenborn, bei aller Grübelei, dann aber auch noch selbst: “Irgendwie ist es doch egal, solange wir bei allem, was wir machen, mit uns selbst im Reinen sind.” Dabei vermag seine Musik mehr zu bewegen, als er es sich vermutlich selber zugesteht, denn “C Is For Chaos/Control” ist eine durchaus schöne Platte geworden.

Der Song für die Playlist/das Mixtape: ‘French Movies’

Album-VÖ: 25.09.2020