Mit seiner neuen Band OLYMPYA unternimmt der Rapper Marcus Borchert aka Pierre Sonality den radikalsten Schritt seiner Karriere. Zielsicher überführt die Hamburger Band NDW, Post-Punk, Dark Wave, Hip-Hop und Pop zu hochinfektiösem, modernem Pop. Die Besprechung des aktullen Albums findet ihr hier:
OLYMPYA – Auto
Im Vorfeld der Albumveröffentlichung haben sich die Jungs von OLYMPYA mit Gestromt-Redakteur Marc zum Video-Interview verabredet:
Gestromt: Welche Köpfe stecken hinter der Band OLYMPYA?
OLYMPYA-Andi: Zum einen sind das Markus und ich. Wir beide haben einen ähnlichen Background und haben schon ewig lange Hip Hop gemacht. In der Szene startete unsere gemeinsame Reise. Und wir haben in der Rapcrew Funkverteidiger bereits zusammengearbeitet. Inzwischen haben wir das Jahr 2021 und wir blicken tatsächlich schon auf eine Zeit von zwölf Jahren gemeinsamen Musikmachens zurück.
OLYMPYA-Lukas: Also ich kenne die beiden auch aus der Hip-Hop-Szene in Leipzig. Ich war dort DJ, habe Beats gebaut und im Zuge der Band Entwicklung habe ich dann immer mehr Vocals aufgenommen und mache das jetzt seit zwei Jahren. Die Jungs haben mich dabei auch ein bisschen angelernt und vorher habe ich halt einfach aufgelegt.
OLYMPIA-Markus: Als wir uns dann aber entschieden haben Musik zu machen die keine Scratches mehr benötigt, musste man ja auch eine neue Rolle für Lukas finden. Da wer der Weg zum Mikro einfach der naheliegendste. Und ich bin Markus. Bei den Funkverteidigern war ich noch unter dem Synonym Pierre Sonality bekannt. Aber inzwischen bin ich nur noch Markus. Im Zuge dieser musikalischen Wandlung haben wir auch unsere Synonyme abgelegt, da es sich so einfach am ehrlichsten anfühlt.

OLYMPYA by Lena Allgeier
Gestromt: Wenn wir schon beim Thema Namen sind, welche Bedeutung hat denn der Bandname OLYMPYA? Auf jeden Fall ist der Bandname verdammt schwer zu googlen...
OLYMPYA-Markus: Google will einen immer berichtigen, wenn man “OLYMPYA” eingibt, oder? Hinter dem Namen steckt...
OLYMPYA-Andi: ...auf jeden Fall nicht der Competition Gedanke, den man mit dem Sportfest Olympia verbindet. Wir machen selber Sport und sind bewegungsfreudig, aber wir sind auf keinen Fall Competition-Typen. Es ist einfach ein schön klingender Name und wir haben uns den natürlich auch schon auf Plakaten von großen Festivals vorgestellt. Also auf dem Rock am Ring Plakat würde sich der Name sehr gut machen und sehr gut lesen.
OLYMPYA Markus: Verbunden mit der Competition ist allerdings auch immer der Drang sich zu verbessern, sich auf eine Sache zu konzentrieren und mit der Herausforderung zu wachsen. Und das passt dann auch wieder auf uns als Band. Wir müssen festhalten, dass wir alle drei nicht singen können, wir beherrschen kein Instrument, aber trotzdem machen wir in unseren Augen ziemlich geile Mucke. Wir wollen jetzt auch nicht die Besten sein. Aber wir wollen uns ständig verbessern.
OLYMPYA-Andi: Irgendwie ist uns der Name auch in den Schoß gefallen. Es ist der Name der sich irgendwie am besten angefühlt hat.
OLYMPYA-Markus: Und es war auch der Name der sich am längsten gehalten hat. Die Arbeit am Album war ja auch ein langer Prozess. Währenddessen hatten wir ganz viele verschiedene Namen. So hatten wir auch die Zeit einfach mal Namen wirken zu lassen. Andere Arbeitsnamen wurden immer wieder rausgekickt und OLYMPYA ist es am Ende geworden. Der ist schön griffig.
Gestromt: Magst Du denn die verworfenen Bandnamen nennen oder sollen die lieber geheim bleiben?
OLYMPYA Markus: Die bleiben geheim. Die sind teilweise so schlecht, die dürfen niemals rauskommen.
Gestromt: Ihr kommt ja alle aus der Hip-Hop Szene. Wie kam es da jetzt zu dieser Hinwendung in den Rock/Pop-Bereich?
OLYMPYA-Markus: Vorweg möchten wir gleich sagen, dass wir Hip Hop immer noch geil finden. Das ist eine tolle Musikrichtung und wir können auch immer noch hinter allem stehen, was wir künstlerisch bisher gemacht haben. Aber wenn ich jetzt von mir persönlich als Rapper spreche, habe ich letztendlich gemerkt, dass ich mich wiederholt habe. Die Sparte in der man stattgefunden hat, reichte einfach nicht mehr aus. Es ist viel, viel mehr Musik in mir drin, die einfach raus muss. Und ich habe mit den beiden anderen auch immer schon während dieser Untergrund-Rap-Phase auch andere Musik gemacht. Teilweise viel filigraner als das was wir rausgehauen haben. Wir haben uns aber nie getraut etwas zu veröffentlichen, weil wir immer dachten, dass passt nicht zu unserem Bild. Und irgendwann haben wir dann gemerkt, wir limitieren uns damit total. Die Musik von OLYMPYA sind Echos die irgendwie schon immer in uns drin waren und jetzt rauskommen. Deshalb passen ja auch diese NDW und New Wave Vergleiche, mit denen unsere Musik beschrieben wird. Und dieses Hip-Hop Game haben wir für uns auch irgendwie zu Ende gespielt, was die Ausdrucksform angeht. Und da haben wir uns gesagt, lass uns doch einfach was Neues finden. Unsere kleine Befreiung.
OLYMPYA-Lukas: So sind wir auch künstlerisch aus unserer musikalischen Routine wieder in eine spielerische Art und Weise des Musikmachen gekommen. Dadurch das wir die alten Gewohnheiten abgelegt haben sind dann auch wieder alte musikalische Lieben zum Vorschein gekommen. Wie NDW oder Punk-Rock. Das war total erfrischend.
OLYMPYA-Andi: Die ganze Herangehensweise an Rapmusik war halt dermaßen routiniert, man wusste halt vorher immer schon was für eine Art von Song entsteht. Und jetzt ist es total spannend und experimentell – wir wissen vorher gar nicht so genau wohin es sich bei einem Song entwickelt. Was für eine Ästhetik da auf uns wartet, die wir einfach nur freimeißeln müssen.
Gestromt: Wie unterscheidet sich denn das “Schreiben” eines Songs, verglichen mit eurer Hip-Hop Zeit?
OLYMPYA-Markus: Es geht eigentlich immer mit dem Playback los. Ich baue in unserem Kreativstudio mit Gitarren, Synthies usw. ein Gerüst für den Song. Wenn uns das dann skizzenhaft zeigt, in welche Richtung sich der Song bewegt, dann geht es quasi weiter mit dem Text.
OLYMPYA-Andi: Genau. Und die Texte schreiben wir zusammen. Wir setzen uns zusammen und führen gemeinsam ein Brainstorming durch. Zu Hip-Hop Zeiten hat noch jeder für sich geschrieben. Da lag dann schon mal eine latente Competition in der Luft, weil keiner wusste, was der andere gerade so schreibt. Und das hat das ganze Rap-Ding auch ein bisschen anstrengender und fordernder gemacht, aber bei einem Ergebnis was deutlich kleiner war. Das Zusammenschreiben ist hingegen viel angenehmer und druckfreier. Dabei ist das völlig okay, wenn man mal keine besonders gute Idee hat und der andere aber die Zeilen rausballert, da fühlt sich dann keiner schlecht damit. Und wir merken auch, dass wir mit dem gemeinsamen Schreiben viel schneller vorankommen.
OLYMPYA-Markus: Total. Wir befruchten uns da gegenseitig. Inzwischen schreiben wir unsere Texte auch nicht mehr im Studio, sondern machen 30, 40km lange Spaziergänge, setzen uns irgendwo hin wo es uns gefällt, packen die Bluetooth-Box aus und schreiben dann dort weiter. Da schmeißen wir dann alles rein was wir sehen, was wir beobachten, was uns bewegt, aktuelles Tagesgeschehen und so weiter. Und aus dem ganzen Brei machen wir dann Hits, Hits, Hits.
Marc von Gestromt: Bei der Arbeit an dem Album habt ihr ein bereist vorproduziertes Album, inklusive vier Musikvideo komplett verworfen. Mit der Begründung, “es hätte sein Ziel verfehlt”. Wie ist dieses Ziel denn definiert?
OLYMPYA-Andi: Wir haben halt schon vor mit dieser Band Erfolg zu haben. Und haben bewusst nach erfolgsversprechenden Stilen gesucht. Beim ersten Album haben wir dann gedacht wir hätten etwas völlig Neues geschaffen und als wir es uns dann angehört haben, merkten wir, dass das ganze doch sehr Trap lastig gewesen ist und immer noch sehr nah am HipHop. Wir hatten tatsächlich schon 16 ausproduzierte Tracks, sind nach Bangkok und Hong Kong geflogen und haben Musikvideo gedreht und unsere ganze Kohle dafür rausgehauen. Leider haben wir den Fehler gemacht, erst als alles fertig war unseren Freunden die Sachen vorzuspielen. Die Reaktion reichte von “Was zur Hölle rappt ihr da?” bis zu “Ihr hört euch an wie 17-jährige und dabei seid ihr fast 40”. Da haben wir dann gemerkt, dass wir wohl etwas am Ziel vorbeigeschossen sind.
OLYMPYA-Markus: Ziel war es auch die Musik von uns zu entkoppeln. Im Hip Hop ist das ja alles sehr charakter-lastig und das haben wir tatsächlich mit dem verworfenen Album etwas auf die Spitze getrieben.
Gestromt: Man hört das ja immer wieder mal von Bands, dass sie sagen, wir hatten ein bereits fertiges Album, welches wir verworfen haben. Macht man dann wirklich einen totalen Cut oder nimmt man doch irgendwo Ideen, Texte oder Sounds mit auf die neue Platte?
OLYMPYA-Markus: Nein, wir haben da wirklich einen harten Cut gemacht. Alles was hinter dieser Linie war ist in den Mülleimer gewandert. Wir hören das mal wenn wir zusammen beim Bierchen sitzen, lachen uns kaputt und denken: Zum Glück ist dieser Scheiß niemals rausgekommen.
OLYMPYA-Lukas: Was wir jedoch mitgenommen haben ist, wir haben aus unseren Fehlern gelernt und diese hoffentlich nicht wiederholt. Bei uns ist das Musikmachen ein ständiger Prozess aus Fehlern ausloten, Schwachstelle ausmerzen und weitermachen.
Gestromt: Kommen wir mal auf die einzelnen Songs auf dem Album zu sprechen. Habt ihr eine Lieblingsnummer oder einen Keytrack, bei dem ihr sagen würdet, dass ist das zentrale Ding auf dem Album?
OLYMPYA-Markus: Das ist eine gute Frage. Bei mir ist das auf jeden Fall Tagesform abhängig. Manchmal feire ich ‘Berlin’ total ab und wenn ich schlechtere Laune habe, dann feiere ich ‘Drohne’ total ab. Es ist jedenfalls total schwierig sich auf einen festzulegen. Großer Kernsong des Albums ist zweifelsohne ‘Tabletten’. Das merken wir auch wenn wir den live spielen. Den haben wir nämlich auch ziemlich oft geprobt, weil wir immer hofften, jetzt geht es bald los...und der macht live einfach sehr viel Spaß.
OLYMPYA-Lukas: Wenn man live probt machen auf jeden Fall die härteren Songs verdammt viel Spaß. Und dazu gehört dann auch ‘Drohne’.
OLYMPYA-Andi: Ich würde auch ‘Tabletten’ nennen, würde aber auch ‘Schulhof’ in die Runde werfen. Den mag ich sehr, weil der eine ganz einfache, fast schon an unsere Naivität kratzende Erzählweise hat, die auch eine Arbeitsfacette von uns aufmacht. Nämlich alles unnötige wegzumeißeln, so dass nur noch die pure Essenz von einer Emotion oder einem Thema übrigbleibt. Die Reduktion aufs Wesentliche.
Gestromt: Als Hörer würde ich auch ‘Tabletten’ als absoluten Smasher rausheben. Wenn irgendwann mal wieder Livekonzerte möglich sind, stelle ich mir den Song weit hinten im Set vor und glaube man kann dabei verdammt viel Spaß im Mosh-Pit haben. Zudem erinnert mich euer Sound und Aufbau auch immer wieder etwas an Kraftklub. Waren das musikalische Vorbilder für euch?
OLYMPYA-Markus: Das hören wir interessanterweise öfter, dass Leute sagen das hat viel von Kraftklub. So richtig krass reingehört haben wir uns in Kraftklub allerdings noch nie. Aber bei vielen Sachen wo uns gesagt wird “das klingt voll wie...” oder “das erinnert an...”, das sind oft Sachen die wir teilweise gar nicht so richtig kennen. Es sind trotzdem gute Komplimente, denn wenn man sich dann mal in die Musik einhört, merkt man, die sind ja auch nicht so schlecht. (augenzwinkernd)
Gestromt: Der Vergleich mit Kraftklub liegt allerdings auf der Hand. Alleine beim Blick auf die Tracklist sind mir Parallelen aufgefallen. Die haben den Titel ‘Ritalin’, das ist bei euch ‘Tabletten’, die haben einen Song über ihre Schwester, ihr habt ‘Deine Schwester’ und ein Titel wie ‘Die Kohle deiner Eltern’ impliziert auch einen Kraftklub-Titel...
OLYMPYA-Andi: Verdammt, jetzt hast Du uns erwischt.
Gestromt: Keine Sorge. Für meinen Geschmack seid ihr keine Abkupfer-Band. Ihr schafft es durchaus den Songs euren eigenen Stempel aufzudrücken. Ein Song der mir da vor allem in den Sinn kommt ist ‘Rocky’, über den es sich sicher lohnt nochmal explizit zu sprechen. Die Mobbing Thematik die der Song anspricht finde ich sehr wichtig und passt auch in die heutige Zeit, von der Geschichte die der Track erzählt, finde ich es jedoch etwas “weichgespült”.
OLYMPYA-Andi: ‘Rocky’ ist definitiv der autobiografischste Song. Das Aufwachsen in den 90ern im Plattenbau. Das leidige Nazi-Problem, da ist man als Hip Hopper gerne mal gerannt, wenn es denn die Baggys zuließen. Das ist dann schon ganz klar eine autobiographische Sache, dass man sich dann abends einen Van Damme oder Stallone Film angeschaut hat und sich versucht hat mental zu stabilisieren. Und der Song besitzt ja auch noch eine gewisse Interpretationsfreiheit.
OLYMPYA-Markus: In unseren Köpfen spielt der Song vor 25 Jahren. Man hätte den Song natürlich auch krasser und lauter machen können. Aber wir wollten das Thema einfach anders ansprechen. Für die harten Sounds haben wir andere Themen gefunden. Hier ging es uns vor allem auch um eine filigranere Verpackung. In erster Linie geht es hier nämlich nicht um Rache, sondern um “Empowering”. Das auch im tiefsten Betonsilo etwas Gutes gedeihen kann.
Gestromt: Die beiden letzten Tracks auf dem Album, ‘Teenage Pizza Horrorfilm’ und ‘Schulhof’, stechen für mich auch nochmal raus. Weil sie für mich die eigentliche Zielgruppe von OLYMPYA schwer zu fassen machen.
OLYMPYA-Markus: ‘Teenage Pizza Horrorfilm’ ist für mich eine bildhafte Darstellung der Tatsache, wie wir drei außenseiterähnlich in dieses für uns neue Genre eintauchen. Und manchmal soll so ein Track auch gar nicht viel mehr als einfach Spaß machen.
Gestromt: Was glaubt ihr denn wie sieht euer Publikum aus, wenn ihr irgendwann einmal vor einem Publikum stehen werdet?
OLYMPYA-Markus: Hoffentlich gut (lacht). Ich denke das unsere Musik das Potential hat Menschen verschiedener Genres zusammenzubringen. Ich denke da könnte der Punker, der sich mit seinen Kumpels einen reinbügelt, neben dem Berufsschullehrer stehen. Wir geben ja ganz unverhohlen zu, dass wir mit unserer Musik möglichst viele Leute ansprechen wollen. Deshalb reduzieren wir aufs Wesentliche, mit Inhalten die sich nicht ewig lange erklären müssen. Damit gehen wir ganz bewusst auf eine breitere Masse zu.
OLYMPYA-Lukas: Und wenn wir live proben, merken wir auch, dass das Ganze einen organischen Mix ergibt. Und da versprechen wir uns wirklich viele aufgeschlossene Leute verschiedenster Genres zusammenzuführen.
Gestromt: Was ist denn da jetzt der Plan was Live-Konzerte angeht? Gibt es da schon irgendwie etwas wie wir planen ab September oder pandemiegerechte Shows?
OLYMPYA-Markus: Live-Streamen wollen wir soweit es geht jedenfalls vermeiden. Das würde der Sache vermutlich nicht gerecht werden. Wir sind bei Contra-Booking aus Bochum untergekommen und die drehen alle Räder, dass sobald es wieder möglich ist live zu spielen, wir sofort am Start sind.