Am Freitag erscheint mit "Now" das neue Album von FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE. Nach 13 Jahren Albumpause sind die Anhänger natürlich mehr als gespannt, was einen da genau erwartet. Im Vorfeld des Album-Releases haben sich Sänger Kai Wingenfelder und Gitarrist Christof Stein-Schneider per Zoom die Zeit genommen und mit Gestromt-Redakteur Marc über Comeback, Charts und Corona gesprochen.

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE – Now

Marc von Gestromt: „Hallo Kai. Wie geht es?“

Kai W.: „Tja, Corona...Corona...Corona“

Marc von Gestromt: „Tja, leider immer noch das dominierende Thema zurzeit.“

Kai W.: „Corona und Hip-Hopper, das ist das einzige Problem.“

Marc von Gestromt: „Hip-Hopper?“

Kai W.: „Ja, die Chartvariante. Neben unserem Album erscheinen am Freitag auch die Broilers, das wissen wir. Das sind unsere Compadres...aber am gleichen Tag mit uns, kommt auch SAMRA in die Charts. Die Capital Bra Abteilung. Das sind Jungs die theoretisch Sweat-Shirts verkaufen, in verschiedenen Größenordnungen und das dann als Deluxe-Box deklarieren. Und ansonsten streamen sie dich einfach zu Tode. Da hast Du einfach keine Chance.“

Marc von Gestromt: „Habt ihr bei der Terminierung des Releases darauf geachtet, was rund um euch noch veröffentlicht wird?

Kai W.: „Das kannste nicht. Du probierst es schon ein bisschen zu gucken, aber wir haben unseren Termin einfach gehalten. Letzte Woche haben Sie zum Beispiel JORIS nochmal verschoben, weil er jetzt bei „Sing meinen Song“ ist. Da bekommste dann irgendwas vor die Nase geballert und dann haste Pech gehabt. Normalerweise würden wir auf die Zwei gehen, nach den BROILERS...aber das wird nix. Da werden wir platt gestreamt von den Hip-Hop-Freunden, die ihre Sweat-Shirts verkaufen...und dann kommt Universal um die Ecke und haut dann nochmal einen JORIS dazwischen, weil er jetzt gerade im Fernsehen ist...und dann haste Pech gehabt, dann haste Dir einfach den falschen Tag ausgesucht. So ist das mit dem Leben.“

Marc von Gestromt: „Aber auf Langstrecke setzt sich die Qualität einfach durch. Und auf lange Sicht wird euer Album sicherlich erfolgreich sein.“

Kai W.: „Ich denke mir wir haben ein schönes Album gemacht und da bin ich auch sehr stolz drauf...aber es ärgert einen schon so ein bisschen. Man hat sich eigentlich schon so gefreut, dass alles so super läuft und alles ist cool. Überall wo wir jetzt gerade Interviews geben freuen sich die Leute und sagen: „Mensch das ist echt ein richtig cooles Album geworden, damit haben sie gar nicht gerechnet...“...wir übrigens auch nicht (lacht)...aber dann ärgerst Du dich einfach. Unter normalen Umständen hätten wir jetzt die Zwei gemacht. Und wenn es eine schwache Woche gewesen wäre, dann hätten wir sogar die Eins gemacht...die BROILERS liegen aber komplett außerhalb unserer Reichweite. Wenn die ein neues Album bringen, haben die direkt erst einmal 20.000 – 30.000 Vorbestellungen. Das ist schon Hosen-Niveau. Da kommen auch die Hip Hopper nicht mal hinterher. Das wird schwer, das wussten wir, aber für unseren Produzenten Vincent Sorg, wäre es halt super gewesen. Der macht nämlich die Broilers und uns. Aber wenn dann halt etwas dazwischenkommt, was man irgendwie ungerecht empfindet, dann ärgert einen das schon. Gerade im Hip-Hop Streaming Segment gibt es das. Da gibt es Künstler, die haben halt eine Single mit sechs Millionen Streams und das wird dann umgerechnet aufs Album. Diese ganze Umrechnerei...das finde ich einfach schwierig.“

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE by Olaf Heine

In diesem Moment betritt Gitarrist Christof Stein-Schneider den virtuellen Interview-Raum. Nach kurzer Begrüßung und Einführung ins Thema, äußert er sich zu parallelen Releases.

Christof: „Ja, die Konkurrenz ist groß...“ (verschmitztes Lächeln)

Kai W.: „Vor allem SAMRA...die verkaufen ja gar keine Musik. Die verkaufen Mode. Sweat-Shirts. Die deklarieren das als Boxen und legen eine CD dabei. Der Hip-Hopper...der weiß wie es geht...wir machen jedenfalls Musik.“

Marc von Gestromt: „Ich hätte jetzt gar nicht vermutet, dass ihr auf so etwas wie Charts Platzierungen schielt. Gute Verkaufszahlen ja, aber wo man in den Charts steht? Ist das noch relevant? Oder verstärkt sich dieser Blick, weil ihr aus solch einer langen Pause zurückkehrt?“

Kai W.: „Eigentlich hast Du völlig recht...es ist völlig uninteressant, denn es spiegelt überhaupt nicht das wider, was überhaupt damit passiert...insofern ist es eigentlich schnuppe...aber ein bisschen ärgert es mich schon, weil es hätte eine Zwei sein können. Das wäre schick gewesen, das hatten wir noch nicht und wäre ja auch vielleicht verdient gewesen.“

Christof: „Da gibt es aber auch unterschiedliche Sichtweisen innerhalb der Band. Als wir das erste Mal in den Charts waren, mit „Jau“, da standen wir zwischen David Hasselhoff und Andrea Berg...und da habe ich mich gefragt, will ich da überhaupt sein? Insofern, es ist gut so wie es ist. Lass die Hip Hopper doch Hip Hop machen, das ist ihr gutes Recht.“

Kai W.: „Hip-Hop ja...aber die verkaufen ja Pullover“

Marc von Gestromt: „Für mich als Konsument spielen die Charts überhaupt keine Rolle mehr. Ich weiß noch nicht mal wer momentan in den Charts ist...und ich weiß auch gar nicht wie präsent Charts überhaupt noch bei den Leuten sind.“

Kai W.: „Es gibt aber immer noch eine Wechselwirkung. Die Leute schauen was oben steht, dann spielen wir das auch mal im Radio, usw. Das ist das Einzige was ich ein bisschen schade finde.“

Marc von Gestromt: „Auf der anderen Seite steht aber, dass ihr ein wirklich gutes Album am Start habt. Und das nach 13 Jahren Albumpause. Inwiefern hat sich das Platten-Machen für FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE verändert? Vielen manche Dinge leichter als vor 13 Jahren? Gab es Probleme die man vor 13 Jahren so nicht kannte?

Kai W.: „Es gibt eher Probleme die es vor 13 Jahren gab, die es nun nicht mehr gibt. Das macht die ganze Situation einfacher momentan. Das liegt wohlmöglich daran, dass wir gewisse Dinge abgelegt haben, anders miteinander umgehen und die ganze Sache deutlich entspannter sehen. Und wir haben das erste Mal einen Produzenten an Bord der auch wirklich passt.“

Christof: „Das stimmt. Ein Produzent der der ganzen Band passt – nicht nur einigen, sondern allen. Vincent hat auch einfach eine tolle Art zu arbeiten und es war für uns auch eine ganz neue Herangehensweise, dass wir das Album nicht in einem Stück gemacht haben, sondern immer in so Fünf-sechs-Tage-Blöcken. Das geht auf Vincent zurück, denn er sagt: „Die Bereitschaft eines Musikers etwas gut zu finden, lässt nach fünf Tagen nach. Und deswegen machen wir das nicht länger. Insgesamt hat es jedenfalls großen Spaß gemacht und ich glaube, dass hört man der Platte auch an. Es klingt wieder wie FURY, aber es klingt auch neuer und brettiger. Das gefällt uns sehr gut.“

Marc von Gestromt: „Wie kommt denn der Kontakt mit einem so namenhaften Produzenten zu Stande?“

Kai W.: „Von außen betrachtet könnte man ja jetzt erst mal denken, da kommt jetzt irgendeine Renter-Band die nochmal abkassieren möchte und dafür hätte sich Vincent Sorg niemals hergegeben. Vermittler für uns war Leo aus unserem Management. Der hat schon oft mit Vincent und anderen Bands zusammengearbeitet und der meinte das könnte passen. Dann haben wir uns getroffen und kennengelernt – und das passte. Wir fanden ihn von Anfang an recht sympathisch. Und er hat uns einfach ein paar Dinge gesagt, wo wir dachten, ja, das könnte klappen. Und dann haben wir ein Testwochenende gemacht, sind einfach mal mit der kompletten Band hingefahren und haben einen Song aufgenommen. Danach wussten wir das wird gut werden – und er wusste das auch.“

Christof: „Wir haben dem Frieden aber auch erst nicht so richtig getraut und haben noch eine Weile hinterm Berg gehalten, dass wir eine neue Platte machen wollen. Weil wir selber nicht so richtig wussten, was kommt da auf uns zu. Aber es war schnell klar, dass das mit Vincent großen Bock machen würde, der aus uns Dinge rauskitzeln würde, die schon lange nicht mehr da waren. Und dass das ein sehr schönes und kreatives Arbeiten ist. Und das ist schön. Denn Musiker ist auch nach 35 Jahren immer noch unser Traumberuf. Und ich bin sehr dankbar, dass ich das nach so langer Zeit nochmal so erleben darf.“

Marc von Gestromt: „Wann hat denn dieser konkrete Arbeitsprozess am Album begonnen?“

Christof: „Die erste Session von der wir gerade sprechen fand im Oktober 2019 statt. Das hat sich also eine Weile gezogen. Und da wir ja immer diese Tage-Blöcke gemacht haben, hat sich das tatsächlich über einen Zeitraum von 1,5 Jahren gezogen. Dann kam natürlich noch diese Seuche dazwischen, das hat den Zeitplan nochmal durcheinandergebracht. Aber es war ein tolles Arbeiten. Man ist nach jeder Session zufrieden nach Hause gefahren, da man einen neuen Song geschaffen hatte, mit dem man rundum zufrieden war und ist dann auch völlig motiviert zur nächsten Session erschienen.“

Marc von Gestromt: „Mir ist aufgefallen, dass alle Vorabsongs die vom Album erschienen sind auf der ersten Hälfte der Platte sind. Gibt es einen Grund für diese Reihenfolge und warum das ausgerechnet die Vorab-Vös sind?“

Kai W.: „Amazon...das Problem sind die sogenannten IGTs, Instant Gratification Tracks. Das sind die Songs, die während der Vorverkaufsphase eines Produktes zum Download verfügbar sind, und außerdem sofort zum Hören verfügbar sind, wenn ein Käufer ein Album vorbestellt, das diesen IGT enthält. Du musst also sofort sagen wie viele Songs Du auf dem Album hast und wo die auf dem Album einsortiert sind. Wenn Du das nicht machst...machen sie es dir schwer. 'Sometimes' als Opener war jedoch klar. Und wir wollten das Album mit ordentlich Gas eröffnen, damit der Hörer gleich reinrutsch.“

Christof: „Es sind schon moderne Zeiten. Der Händler schreibt Dir vor welche Reihenfolge Du auf der Platte hast, wann Du entscheiden musst wie die Platte wird...die größten Diebe sind die erfolgreichsten Vertriebe...es ist wie es ist.“

Marc von Gestromt: „Nach dem ganz starken Start der Platte, fallen mir auf der B-Seite ganz prägnante mögliche Einflüsse auf. Vielleicht könnt ihr einmal sagen, ob ihr ganz bewusst diesen Weg bei dem jeweiligen Song gegangen seid oder ob das eher Zufall war oder ob ihr einfach „Brilliant Thieves“ seid? So erinnert mich 'Now' in den Strophen sehr an die GORILLAZ.“

Kai W.: „Wir wussten das das kommen würde...aber wir mochten das gerne. Christof hat den Song geschrieben, der kennt eigentlich gar keine GORILLAZ“

Christof: „Vielleicht habe ich diese Nöl-Melodie...es ist ja fast schon keine Melodie...mal irgendwo wahrgenommen. Aber ich bin auch niemand der sich dafür schämt, dass die Einflüsse rauszuhören sind.“

Marc von Gestromt: „Das muss man ja auch gar nicht. Aufgefallen ist mir noch, dass sich 'Replay' anhört wie 'Holiday' von Green Day.“

Kai W.: „Das hat uns schon mal jemand gesagt...dabei ist das beim rumalbern im Studio entstanden. Ich und mein Bruder haben einfach rumgeschrien, Vincent hat auf dem Klavier ein Schlagzeug imitiert...wir haben uns schlapp gelacht, nachdem wir ein paar Bier getrunken hatten...und dann nahmen die Dinge einfach ihren Lauf und wir haben es mitgeschnitten. Als wir es dann zwei Tage später nochmal angehört hatten, dachten wir, eigentlich ganz geil.“

Christof: „Wir haben ja auch damals in den USA mit Green Day zusammengespielt. Und das ist eine Musikform die mich nicht kalt lässt. Die hat Energie. Und diese Harmoniefolge die ich da benutze, die ist auch schon 80 Millionen Mal benutzt worden. Wahrscheinlich schon Mozart...“

Kai W.: „Also wäre es Dir lieber, wir sagen Du hättest es von Mozart geklaut?“ (lacht)

Marc von Gestromt: „Und bei 'Good Luck On Your On Way' hatte ich das Gefühl ich höre Duran Duran.“

Kai W.: „Das ist richtig. Das hörst Du auch. Und zwar im Refrain, wenn der letzte lange Ton kommt...das klingt wie Duran Duran. Das habe ich auch gemerkt, als ich das das erste Mal gesungen habe.“

Christof: „Für den Song haben wir uns auch in Furan Furan umbenannt.“

Kai W.: „'Good Luck On Your On Way' ist halt ein klassischer Pop-Song und er hat halt all diese klassischen Popmomente und ich liebe das.“

Marc von Gestromt: „Habt ihr denn einen Lieblingstrack von dem ihr sagen würdet, der ist besonders toll geworden?“

Christof: „Also mir gefällt 'Replay' immer wieder sehr gut. Das ist einfach so eine energiegeladene Brett-Nummer ist. Aber ich mag die Platte insgesamt.“

Kai W.: „Das würde ich auch sagen. Unser Lieblingssong ist die Platte. Ich bin sehr froh, dass das was wir uns vorgenommen haben auch umgesetzt werden konnte. Man nimmt sich ja immer vor, man will eine energiegeladene Platte aufnehmen...die Energie wie, wenn man live spielt auf Platte bannen...das wird natürlich nie so sein wie live...aber die Platte hat wirklich Energie. Und das finde ich sehr schön. Sie hat aber auch gute Laune und auch Momente wo man auch nochmal nachdenken muss. Und wir mögen sie halt alle...die ganze Band. Keiner findet einen Song beschissen auf der Platte. Und das ist für uns schon eine Leistung.“

Marc von Gestromt: „War das denn in der Vergangenheit mal anders? Das ihr eine Platte rausgebracht habt, mit der ihr nicht völlig zufrieden wart?“

Christof: „Ja...bei dieser Platte jetzt kann ich aber zu allen zwölf Nummern stehen. Früher gab es schon mal ein, zwei Songs die ich nicht mochte. Manchmal mochte ich auch eine ganze Produktion nicht. Das kann an allen möglichen Impulsen liegen. Aber bei dieser Platte haben wir auch alle sechs zusammen im Studio gearbeitet. Somit ist das die rundeste Band-Platte von allen Alben geworden.“

Bild: WDR/von der Heiden.

Marc von Gestromt: „Ihr habt Corona bereits ins Spiel gebracht. Mir ist bei euch aufgefallen, dass ihr überhaupt keine Scheu zeigt gegenüber neuen Konzertformaten. Ihr habt letztes Jahr Autokonzerte gespielt, spielt jetzt einen Online-Stream, spielt im kommenden Sommer vor Strandkörben und auf diversen anderen pandemiegerechten Events. Ist das für euch auch nochmal ein komplett neues Entdecken von live spielen?”

Kai W.: „Nee...eigentlich würden wir gerne auf alle Dinge die Du aufgezählt hast verzichten. Wir haben auch nicht gerne Autokonzerte gespielt. Wir haben drei Stück in Hannover unserer Heimatstadt gespielt. Um den Leuten etwas zu geben. Wirtschaftlich ist das überhaupt nicht. Aber das war vor allem für die Leute in der Branche, unsere angestellte Crew, usw. Das haben wir drei Mal gemacht...und dann wollten wir auch nicht mehr. Und die Variante mit den Strandkörben...wenn wir spielen wollen...dann müssen wir das so machen...und da wir spielen wollen, weil wir auch Geld verdienen müssen, mit Plattenmachen verdienst Du ja heute nichts mehr. Aber ich glaube, dass uns das wesentlich mehr Spaß machen wird als die Autokonzerte. Weil wir die Leute sehen können, die können singen und es gibt auch Applaus. Es gibt wieder eine Interaktion zwischen Publikum und Band. Deswegen mag ich auch keine Streamingkonzerte. Das was wir jetzt machen ist ja kein wirkliches Streamingkonzert, das ist ein ganz anderes Format. Das ist vom WDR-Rockpalast. Wir haben ein Konzert in der Historischen Stadthalle Wuppertal aufgezeichnet und das wird dann in ein Livestream-Event eingebettet. Wir sitzen da im Sendesaal und schauen zusammen mit den Leuten das Konzert. Wir haben es bisher auch noch nicht gesehen. Und die Leute können uns dann alle zwei, drei Songs ein paar Fragen stellen. Bei dem Konzert spielen wir die komplette Platte, einen Song mit Thees Uhlmann und noch drei, vier erfolgreiche Songs von früher. Uns geht es dabei vor allem um die Interaktion mit den Fans. Mit denen wollen wir zusammen den Release der Platte feiern.“

Christof: „Was man aber auch sagen muss, wir sind momentan gezwungen auf eine ganz andere Art und Weise wieder kreativ zu sein. Das finde ich schon ein bisschen anregend. Nach 35 Jahren hat sich ja ein gewisser Trott eingeschleift. Die Möglichkeit mit den modernen Medien zu kommunizieren, das finde ich schon recht spannend. Online-Streaming-Konzerte finde ich allerdings quatsch. In eine leere Halle reinspielen und so tun als wären da Leute...deshalb haben wir uns ja auch im Kreis aufgestellt.“ (schmunzelt)