(The Orchard)
EPs sind manchmal Zwischenschritte, manchmal Fingerübungen, manchmal nicht viel mehr als ein Lebenszeichen. In einer Zeit in der man als Künstler viel hinterfragt, bedeutet eine EP nach zwei Jahren Funkstille vielleicht sogar etwas mehr. Und wenn diese dann auch noch “Might Delete Later” betitelt wird, dann drückt dies nicht gerade ein gewachsenes Selbstbewusstsein aus – oder eben doch? Nur eine von vielen Fragen, die man RAZZ stellen kann...
Und so liefern RAZZ jede Menge Anknüpfungspunkte über die man im Rahmen ihrer neuen EP sprechen kann. Wie hat die Band ihre Pause verbracht? Warum hat man sich nun für eine EP anstelle eines Albums entschieden? Wie erlebt man als Künstler die Corona-Zeit? Und was hat es mit dem kryptischen Titel “Might Delete Later” auf sich? Sänger Niklas Keiser hat sich die Zeit genommen und mit Gestromt Autor Marc über all diese Dinge gesprochen:
Das erste Lebenszeichen von RAZZ nach zwei Jahren Pause fand sich in der Ende 2020 veröffentlichten Single ‘1969 - Conrad’. Die Nummer schlägt einen leicht anderen Weg ein, als man ihn von den Jungs bisher gewohnt war. Eine leicht düsterere Nummer im Vergleich zu den hitgetränkten Stücken der beiden ersten Alben. Statt melodieverliebt und euphorisch, wirken die Emsländer hier eine Spur reflektierter und nachdenklicher, glücklicherweise ohne auf die RAZZ-typische Eingängigkeit zu verzichten:
Auch die zweite Single der EP verdeutlicht den Reifeprozess der Band. So reflektiert man mit ‘Like You’ Erwartungshaltungen und den gesellschaftlichen Druck von außen sowie innere Selbstzweifel. Eine Thematik mit der sich die Band RAZZ im Vorfeld zur Entstehung der EP stark auseinandergesetzt hat und welche sich letztendlich durch alle sechs Tracks von “Might Delete Later” zieht.
Auch wenn die Band hier leicht andere Ansätze im Songwriting wählt als man es von ihr gewohnt war, werfen sie das Talent für Hits und eingängige Melodien nicht über Bord. Mit dem Produzentenduo Fabian Langer (Annenmaykantereit, Neufundland) und Dennis Borger (Fibel) hat man zudem die passenden Protegés gefunden, die aus dem neuen RAZZ Sound das gewisse Etwas herauskitzeln. So dass Referenzen wie Radiohead (‘Constant Flow’) oder The Cure (‘Ocean’) keine Fabelfantasie darstellen. Wie gut das alles klingen kann, wenn man sich von sämtlichen Fesseln und Konventionen befreit, beweist das abschließende ‘Game’, welches vermutlich am weitesten von dem entfernt sein dürfte, was man von RAZZ bisher hören durfte. Umso schöner, wenn solch eine entspannte Nummer so wunderbar funktioniert:
RAZZ gelingt es mit ihrer neusten Veröffentlichung sich nicht zu wiederholen und im eigenen Saft zu schmoren. Vermutlich war genau das das Ziel, welches man mit “Might Delete Later” erreichen wollte. Und man hat es mit Bravour erreicht.
Der Song für die Playlist/das Mixtape: ‘Game’
EP-VÖ: 18.06.2021